DOMRADIO.DE: Vor zwanzig Jahren erlebte Papst Johannes Paul II. gegen Ende seines Pontifikats große gesundheitliche Probleme. Vergleichen heißt ja nicht automatisch gleichsetzen. Worin liegen Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede, was die körperlichen Gebrechen von Johannes Paul II. und von Franziskus angeht?
Ludwig Ring-Eifel (Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur): Was man natürlich zunächst mal in den Blick nehmen muss, ist die geistige Fähigkeit. Es geht ja beim Papst auch darum, dass er Entscheidungen trifft, weil er die weltweite Kirche führt. Die ist bei Papst Franziskus mit Sicherheit nicht angeknackst, bloß weil das Knie nicht funktioniert. Aber was sich natürlich schon ändert, ist der Stil, wie er sein Papstsein ausübt.
Er hat ja einen ganz besonderen Stil an den Tag gelegt. Er ist sehr nahbar, er geht auf die Menschen zu, nicht nur bildlich gesprochen, sondern auch physisch. Er geht auf die Menschen zu, er umarmt sie, er geht in die Menge rein. All diese Sachen kann er nicht mehr machen, weil er eben durch das schmerzende Knie daran gehindert wird. Also er muss einen ganz anderen Stil des Papstseins jetzt für sich erfinden – im Sitzen, auf Distanz. Das wird eben ganz spannend sein, wie er das in den nächsten Jahren ausfüllt, dass er praktisch nur noch mit der Kraft seines Wortes und nicht mehr mit diesen Gesten, nicht mehr mit diesen Bewegungen auf die Menschen zu, sich ausdrücken kann.
DOMRADIO.DE: Wenn man jetzt noch mal auf Johannes Paul II. schaut, seine letzten Jahre waren durch sein Leiden geprägt. Da sind dann die päpstlichen Geschäfte vor allem vom Privatsekretär geführt worden. Falls es irgendwann mal Franziskus so schlecht geht, dass er seine Geschäfte nicht mehr alleine führen kann, gäbe es denn dann überhaupt so eine Art Schattenpapst? Oder kommt das für ihn dann gar nicht in Frage bei seinem anderen Leitungsstil?
Ring-Eifel: Das kann ich mir bei ihm ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass er so eine ähnliche Phase am Ende durchlaufen will, wie Johannes Paul II.. Ich glaube, dass er dann eher so wie sein unmittelbarer Vorgänger Benedikt XVI., eher zum Rücktritt neigen würde, wenn es ihm ähnlich schlecht ginge wie Johannes Paul II. am Ende von dessen Pontifikat. Das ist aber jetzt noch im Bereich der Spekulation, wie gesagt, er ist ja ansonsten auch vollkommen fit. Es ist wirklich nur das verdammte Knie, was nicht mehr will.
DOMRADIO.DE: Kirchenhistoriker mahnen ja im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Benedikt XVI. an, dass es Regularien für solche Fälle geben muss, die in Zukunft ja möglicherweise auch häufiger auftreten könnten. Franziskus hat bisher noch nichts in der Richtung auf den Weg gebracht. Drängt hier nicht so ein bisschen die Zeit oder steht das Thema eher nicht so weit vorne auf der Agenda von Papst Franziskus?
Ring-Eifel: Ja, da hat es in den vergangenen Jahren immer wieder mal Spekulationen darüber gegeben, dass Franziskus das auch kirchenrechtlich verbindlich regeln will. Das war ja bis zum Rücktritt von Benedikt XVI. gar nicht so wirklich vorgesehen. Dann hat Benedikt XVI. das einfach gemacht und für sich selber die Regeln erfunden und definiert. Ich glaube, dass Papst Franziskus so lange damit zögern wird, diese Dinge zu regeln, bis er selbst in die Nähe eines Rücktritts kommt. Erst dann wird es entsprechende päpstliche Gesetze geben. Aber die müssen sein, weil das war jetzt doch in diesen neun Jahren manchmal sehr schwierig und sehr grenzwertig, wie dieses Nebeneinander von emeritiertem Papst und regierendem Papst – wie das funktioniert oder nicht funktioniert hat. Da müssen ein paar neue Regeln her.
Das Interview führte Dagmar Peters.