Experte fordert Rückkehr zu traditioneller Friedhofskultur

Zurück zur Erdbestattung?

Urnen, Friedwälder und selbst Gemüseanbau. Alternative Bestattungsformen liegen im Trend. Die bringen aber bei weitem nicht nur Vorteile fürs Klima, die Umwelt und auch für uns selber. Die Friedhofsvereine fordern ein Umdenken.

Eine Amsel auf einem Grab / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Amsel auf einem Grab / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was haben Sie denn dagegen, wenn auf einem Grab ein Apfelbaum wächst oder ein Salat angebaut wird?

Andreas Morgenroth (Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Friedhofsvereine und Initiativen): Also zunächst mal gibt es eine gewisse Tradition, was gerade den Apfel- oder Birnbaum angeht. Das wissen Sie. Ribbeck von Ribbeck im Havelland. Das Gedicht kennt jedes Kind. Und darauf beziehen sich natürlich jetzt so Ideen, Friedhöfen vielleicht eine neue Facette zu geben. Und da sind verschiedene Friedhofsträger nun auf die Idee gekommen, entweder selbst Gemüsegräber zuzulassen, also selbst initiativ zu werden, oder Hinterbliebene machen das aus eigener Veranlassung.

Die Idee ist erst mal begrüßenswert. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen, weil jede Facette, die neu dazukommt in der Friedhofskultur, zunächst einmal eine gute ist. Aber man muss natürlich dann auch in die Tiefe einsteigen. Und da ist einfach festzustellen, Friedhöfe sind besondere Orte. Sie unterliegen beispielsweise nicht der Bodenschutzverordnung aufgrund der vielen Grabungstätigkeiten und Durchmischung und ähnlichem. Wir haben eine Schwermetallbelastung, spätestens seitdem wir wissen, dass gerade in Totenaschen, also in den Kremationsaschen, Schwermetalle enthalten sind. Das ist eine tragische Sache eigentlich. Man will vielleicht auch gar nicht so viel darüber wissen, aber es ist eben wichtig, wenn man erwägt, wie nun in Braunschweig oder Wien geschehen, Gemüse anzubauen - eben auch für den Verzehr. Das ist problematisch. Es gibt Untersuchungen, die Belastungen auch in diesen Gemüse nun nachgewiesen haben, was auch nicht überraschend ist, die leider auch Grenzwerte überschreiten. Und an der Stelle muss man dann sagen Stopp, das geht nicht.

DOMRADIO.DE: Also das sind vor allen Dingen gesundheitliche Aspekte, die Sie da ansprechen. Sie sagen aber auch diese Umnutzung von Friedhöfen, die beschädigt generell die traditionelle Friedhofskultur, auch wenn ein Friedhof zu einem Ruheforst oder zu einem Friedwald umgenutzt wird.

Andreas Morgenroth

"Da sind Interessen im Spiel, die sicherlich auch wirtschaftlicher Natur sind."

Morgenroth: Na gut, das ist eine andere Diskussion. Ich bin ein Verfechter der Erdbestattung, muss ich Ihnen sagen. Und ich weiß, dass das die ökologisch verträgliche Variante ist. Es wird immer gerne das Gegenteil behauptet, wenn man sich über diese Ruheforste oder Friedwälder austauscht. Da sind Interessen im Spiel, die sicherlich auch wirtschaftlicher Natur sind. Ich komme aus der ökologischen Naturschutz-Ecke und ich bin ein Kritiker der Urnenbestattung, in dem Fall wiederum nicht von Urnen unter Bäumen.

DOMRADIO.DE: Aber der Trend geht ja ganz klar zur Urne. Sie wünschen sich mehr Erdbestattung? Warum?

Morgenroth: Also, ich wünsche mir erst mal eine Trendumkehr, wenn Sie sagen, das ist ein Trend. Wir haben ja jetzt im Moment etwa 75% Einäscherung in Deutschland. Mehr geht sowieso nicht. Sie haben ja Muslime. Sie haben viele gesellschaftliche Gruppen, die die Einäscherung ohnehin ablehnen. Migranten und auch viele naturbewusst lebende Menschen lehnen das ab. Von daher ist das jetzt mal nicht unverschämt, sich vorzustellen, dass es wieder mehr Erdbestattung gibt.

Sie müssen auch bedenken: Wir leben ja in einer Zeit, wo wir über das Thema Einäscherung auch aus Klimaschutzgründen nachdenken müssen. Jede Klimasünder ist eigentlich zu überprüfen und das ist so eine dieser Möglichkeiten, wo man sagen kann, es muss ja nicht sein. Wir haben die Erdbestattung, wir müssen keine Krematorien vorhalten. Das hat sich einfach so entwickelt in Zeiten, als Energie billig und reichlich da war. Und jetzt haben wir aber eine andere Zeit.

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch das finanzielle Argument. Ein Grab muss mitunter 20 Jahre gepflegt werden. Wer soll das denn bezahlen, wenn die Angehörigen das dann nicht mehr bezahlen wollen oder können?

Morgenroth: Also zunächst einmal würde ich als Hinterbliebener mich erst mal informieren, welche Angebote eigentlich Friedhöfe heute vorhalten. Das ist ja doch eine große Vielfalt. Auch bei Erdbestattung gibt es Möglichkeiten der pflegefreien Anlage, Gemeinschaftsgrabanlagen oder andere Formen der Erdbestattung, die dann nicht unbedingt eine dreifache Wechselbepflanzung nach sich ziehen müssen.

Viele Menschen wollen auch selbst gerne pflegen. Das ist ja nicht so, dass man sich scheut, sondern ganz im Gegenteil. Wenn ich mir gerade so im ländlichen Raum die Friedhöfe ansehe, dann sind das oft alte Familiengräber, an denen wird wöchentlich ein bisschen gearbeitet, Unkraut entfernt, gegossen. Nicht weil die Menschen das müssen, sondern weil sie es eben wollen. Sie möchten gerne diese Grabpflege. Für die anderen, die das nicht wollen gibt es Angebote und die kann man mal ventilieren, denke ich. Und dann kommt man vielleicht auf neue Ideen. Für mich ist die Erdbestattung immer noch die ökologisch vorteilhafteste und bestmögliche.

DOMRADIO.DE: Sie sagen aber auch, dass traditionelle Friedhöfe zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Wie tun sie das denn?

Morgenroth: In dem sich dort eigentlich alle Menschen treffen, und zwar informell. Man muss sich nicht verabreden. Man geht ja nicht in ein Konzert, sondern man geht einfach, weil man Zeit und Lust hat und das Wetter mitspielt auf den Friedhof und stellt fest: Da sind ja auch noch andere Menschen. Man trifft sich, man kommt ins Gespräch. Es sind Menschen, die die vielleicht einfach auch eine gewisse Vereinsamung haben in ihrem Leben. Für die sind Friedhöfe sehr wichtig. Friedhöfe sind - das wird oft unterschätzt - zuallererst Orte der Begegnung.

DOMRADIO.DE: Haben Sie sich denn eigentlich schon mal überlegt, wie Sie beerdigt werden möchten?

Morgenroth: Ja, bei mir ist das ein spezieller Wunsch, das gibt es erst seit kurzem, eine sogenannte Re-Erdigung. Dabei wird der Körper so minerasiert, humifiziert unter optimalen Bedingungen, mit ein bisschen Sauerstoff, mit optimalem Substrat. Und es kommt dann eben zu einer sehr schnellen Transformierung des Körpers, der dann eben in diesem Substrat beigesetzt wird wie eine Erdbestattung. Das ist so eine Sache, die gibt es noch nicht so lange, aber das finde ich ganz toll.

Das Interview führte Elena Hong.

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR