DOMRADIO.DE: Was ist das Schöne an der Verbindung zwischen Mundart und Christentum?
Pfarrer Claus Ebeling (Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Lichtenau): Die Mundart ist genau die Muttersprache, mit der auch Jesus aufgewachsen ist. Sein aramäischer Dialekt war ja auch ein ganz spezieller. Das war nicht das heutige Hebräisch, sondern es ist tatsächlich auch ein Dialekt gewesen, in dem er aufgewachsen ist und seine Jünger in Galiläa genauso. Deswegen ist es eigentlich immer wichtig, in der Muttersprache mit den Menschen zu reden und ihnen das Evangelium zu bringen.
DOMRADIO.DE: Der Verein "Mundart in der Kirche" hat sich jetzt neu gegründet von Menschen, die schon lange mit dem Thema arbeiten. Jetzt wollen Sie ja auch bundesweit aktiv sein mit dem Verein. Wie stellen Sie sich das vor?
Ebeling: Den vormaligen Arbeitskreis "Mundart in der Kirche" gibt es seit 27 Jahren. Da sind auch wirklich die Dialekte aus ganz Deutschland bisher vertreten gewesen. Die Menschen werden aber älter und es hat sich inzwischen ein bisschen so auf Franken und und Bayern konzentriert.
So eine Vereinsgründung ist aber auch wieder die Möglichkeit, mal darauf aufmerksam zu machen, dass ganz viele Menschen in ihrer Mundart, im Dialekt auch in der Kirche mitarbeiten und Mundart-Gottesdienste oder Mundart-Predigten halten in unterschiedlichen Formen. Die miteinander zu vernetzen und ihnen auch den Mut zu machen, weiterhin in ihrer Muttersprache von Gott zu reden, das ist eigentlich unser Hauptauftrag.
DOMRADIO.DE: Sie sagen auch, Mundart-Gottesdienste werden deutlich besser besucht als Gottesdienste auf Hochdeutsch. Was denken Sie, warum hat die Gemeinde an solchen Gottesdiensten mehr Spaß?
Ebeling: Die Standardsprache oder das sogenannte Hochdeutsch schafft immer eine gewisse Distanz. Das ist so Wissenschaftssprache. Wir Theologen sind in der Regel alle wissenschaftlich ausgebildet, da gerät mal das eine oder andere Fremdwort dazwischen oder es wird einfach manchmal der Satzbau zu kompliziert. Davor bewahrt eigentlich die Mundart. Die Mundart ist per se in weiten Teilen Leichte Sprache mit kurzen Sätzen. Sie ist bildreich und kennt kaum Fremdwörter.
Ausnahme sind da adaptierte Fremdwörter, wie es sie zum Beispiel bei uns im Fränkischen oder in Nürnberg gerade aus der französischen Besatzungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts gibt. Dass es das Trottoir (Bürgersteig, d. Red.) gibt, das geht jedem Franken ganz flüssig von den Lippen. Aber das ist eigentlich das Entscheidende, dass wir uns in unserer Mundart so ausdrücken, wie wir das eigentlich ganz selbstverständlich gewohnt sind. Und wenn wir das hören, wie uns früher die Mutter getröstet hat oder der Vater, dann rührt uns das anders an.
DOMRADIO.DE: Dialekte haben auf der einen Seite etwas Heimatverbundenes, auf der anderen Seite sind sie für Außenstehende wahrscheinlich schon ein wenig schwer zu verstehen. Wie sehen Sie diesen Zwiespalt?
Ebeling: Der Zwiespalt ist auch da. Wir haben hier allein in Franken ja ganz viele Mundart-Regionen. Und wenn ich sagen würde, dass jemand aus Mittelfranken jemanden aus der Rhön nur ganz schwer versteht, wenn der wirklich in seinem Dialekt spricht, dann kann ich das einfach auch so stehen lassen. Wenn wir uns dann hören, ist es noch mal etwas anders. Aber das darf ja so nebeneinander stehen in der bunten Vielfalt, die Gott uns auch in der Sprache gegeben hat.
DOMRADIO.DE: Denken Sie denn, dass Dialekte heute wieder populärer geworden sind als vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren?
Ebeling: Die Dialekte und Umgangssprache gehen ja ineinander über. Keiner spricht eigentlich wirklich reinstes Schrift-Standard-Hochdeutsch, sondern irgendwie ist jede Sprache dialektgefärbt, auch bei den Jugendlichen. Die machen es sich auch einfach. Was da beispielsweise über Twitter – da ist ja sogar die Zeichenzahl begrenzt – oder über andere soziale Medien ausgetauscht wird oder einfache Sprachnachrichten, wie sie meine Tochter auch versendet, die sind einfach immer in einer Umgangssprache und natürlich auch dialektgefärbt.
Das Interview führte Florian Helbig.