DOMRADIO.DE: Waren Sie einmal in der Kaserne der Schweizergardisten? Wie sieht es dort aus?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Ja, ich war mehrfach drin. Das ist ein interessantes Gebäude. Es ist aber natürlich ein recht altes Gebäude und es ist in großen Bereichen marode.
Es bedarf dringend einer Erneuerung, aber nicht nur durch den aktuellen Zustand.
Der Papst hat die Sollstärke der Schweizergarde auf 135 Mann erhöht. Da muss man natürlich agieren und vernünftige Unterkünfte schaffen. Die einzige Alternative ist wirklich ein Neubau der Kaserne.
DOMRADIO.DE: Das ist jetzt bestimmt worden. Kann eigentlich jeder in die Kaserne? Kann man die besichtigen?
Nersinger: Natürlich kann man eigentlich nicht hinein. Wenn man aber aus journalistischen Gründen hinein will oder wie ich Ehrenmitglied der Vereinigung der Ex-Gardisten ist, hat man die Möglichkeit des Zutritts.
DOMRADIO.DE: Müssen die Gardisten ihre Betten selber machen?
Nersinger: Soweit ich weiß, ja.
DOMRADIO.DE: Die Zahl der Gardisten ist erhöht worden, nun muss man ein wenig ausbauen. Leben die Gardisten derzeit alle in der Kaserne?
Nersinger: Es gab in der letzten Zeit auch die Möglichkeit, dass Offiziere außerhalb wohnen konnten. Denn viele der Offiziere sind verheiratet und haben Familie. Da ist der Raum begrenzt.
Das Heiratsverbot für die einfachen Hellebardiere ist auch darin begründet, dass man erst den Offizieren aufgrund des fehlenden Raums die Möglichkeit gab zu heiraten. Von daher ist dieses Heiratsverbot eigentlich praktisch begründet.
DOMRADIO.DE: Die Kaserne ist ja mit einem Geheimgang Richtung Engelsburg verbunden. Der soll jetzt im Rahmen der Umbauarbeiten wieder freigelegt werden. Wie muss ich mir das vorstellen?
Nersinger: Ja, man möchte diesen berühmten Fluchtgang (Passetto) vom Kasernengebäude trennen, weil man diesem historischen Gang mehr baulichen Schutz gewähren will.
Ich persönlich bin da traurig, weil der Passetto sehr eng mit der Kaserne und mit der Schweizergarde verbunden ist. Es ist der Gang, mit dem Schweizergardisten dem Papst im 16. Jahrhundert ermöglicht haben, in die Engelsburg zu fliehen.
Es ist aber natürlich auch vernünftig, diesen historischen Gang zu erhalten. Das geht einfach besser, wenn man ihn von der baulichen Substanz der Kaserne trennt.
DOMRADIO.DE: Gibt es rund um die Kaserne und die Gardisten noch weitere Geschichten?
Nersinger: Ja, dafür bräuchten wir vermutlich viel mehr Zeit. Eine spannende Geschichte ist etwa, dass es bestimmte Privilegien gab wie die sogenannte Quartierfreiheit. Das Quartier der Garde war der normalen Gerichtsbarkeit entzogen.
Da gab es natürlich auch Vorfälle, die nicht so schön waren. Dazu gibt es zahlreiche Geschichten.
DOMRADIO.DE: Die Renovierungsarbeiten der Kaserne sollen 2026 beginnen. Papst Franziskus setzt sich ja sehr für die Bewahrung der Schöpfung ein. Wie nachhaltig kann so eine Kasernenrenovierung mit Blick auf Gebäude, Gebäudeschutz und dergleichen sein?
Nersinger: Wir sind ja erst in der Vorplanung. Man macht sich schon Gedanken über die Baumaterialien, die verwendet werden. Ich denke, da wird man auf diese ökologische Sicht Rücksicht nehmen.
DOMRADIO.DE: Werden die Gardisten in der Zukunft auch ein bisschen mehr Luxus haben als jetzt?
Nersinger: Die Zimmerverteilung ist neu geregelt worden. Man hat festgelegt, dass die Rekruten die Anfänger, vor ihrer Vereidigung in Doppelzimmern wohnen.
Die Hellebardiere, die dann den Eid auf den Heiligen Vater abgelegt haben, bekommen ein Einzelzimmer.
DOMRADIO.DE: Wird berücksichtigt, dass es vielleicht auch mal Gardistinnen geben wird?
Nersinger: Es gab vor kurzem eine sehr skurrile Begebenheit bei der Miss Universe-Wahl in Venezuela. Die Vertreterin der Schweiz präsentierte sich in einem Outfit, einem Fantasiegewand, das der Uniform der Schweizergarde nachempfunden war. Sie hatte auch so eine Art Hellebarde in der Hand. Das zeigt aber auch, dass man sich natürlich irgendwie Gedanken macht.
Aus geschichtlichen Gegebenheiten und aus praktischen Gründen heraus sehe ich da eigentlich keine Möglichkeit. Das hat absolut nichts mit der Diskriminierung von Frauen zu tun, aber wir haben eine historische Truppe.
Denken Sie allein an die Uniformen. Bei den ganz festlichen Anlässen haben Sie einen Brustpanzer. Auch da müsste man genügend Möglichkeiten schaffen, das immer anzupassen.
Denken Sie an diesen wirklich harten Dienst, den sogenannten Verstelldienst, bei dem der Gardist mehrere Stunden unbeweglich da steht. Das sind einfach Dinge, die man beachten muss.
Dann müsste man hinsichtlich der Größe der Truppe weitere Möglichkeiten schaffen, die alles, was man geplant hat, sprengen würde. Das könnte vielleicht später einmal die Gendarmerie machen. Auch da sind praktische Gründe momentan noch ein Hindernis.
Ich denke auch, dass der Vatikan nicht so ganz daran interessiert ist, auf einmal eine Amazonentruppe zu haben, weil das doch etwas befremdlich aussieht, wenn man eine Frau in die heutige Galauniform und die Dienstuniform der Schweizergarde steckt.
Das Interview führte Bernd Hamer.