Expertin erwartet Folgen der Zen-Verhaftung für den Vatikan

"Verfechter von Demokratie und Menschenrechten"

Überraschend wurde der ehemalige Bischof von Hongkong am Mittwoch verhaftet. Die China-Expertin Katharina Feith sieht darin eine Reaktion auf seine regierungskritischen Aktivitäten und erwartet auch Konsequenzen für den Vatikan.

Joseph Kardinal Zen Ze-kiun / © China-Zentrum Sankt Augustin
Joseph Kardinal Zen Ze-kiun / © China-Zentrum Sankt Augustin

DOMRADIO.DE: Über die genauen Hintergründe der Verhaftung ist noch nicht so viel bekannt. Es soll aber um einen Fonds, mit dem demokratische Proteste gegen Peking finanziert worden sein sollen, gehen. Was ist das für ein Fonds?

Katharina Feith / © China-Zenrum Sankt Augustin
Katharina Feith / © China-Zenrum Sankt Augustin

Katharina Feith (China-Zentrum Sankt Augustin): Das ist ein Fonds, der nach den großen Protesten im Jahr 2019 ins Leben gerufen wurde, als Millionen von Menschen auf die Straßen gingen. Es wurden bei diesen Protesten auch Demonstranten verletzt.

Dieser Fonds wurde eingerichtet, um diesen Demonstranten im Bereich der Rechtsberatung zu helfen, auch um Kosten wie für medizinische Hilfe zu übernehmen. Der Fonds wurde allerdings im letzten Jahr aufgelöst. Warum gerade jetzt vier Treuhänder festgenommen wurden, ist unklar. Neben dem Kardinal wurden noch drei andere Personen verhaftet.

Die Polizei hat mitgeteilt, dass sie wegen geheimer Absprachen mit ausländischen Kräften verhaftet wurden. Das ist ein Passus im Nationalen Sicherheitsgesetz, das seit 2020 in Kraft ist.

DOMRADIO.DE: Kardinal Zen ist durchaus für eine Peking-kritische Haltung bekannt. Was ist der Bischof für ein Mensch?

Feith: Wir kennen den Kardinal persönlich sehr gut. Deswegen waren wir sehr bestürzt gestern. Er war oft in Deutschland. Das ist ein wirklicher Kämpfer, ein großer Verfechter von Demokratie und Menschenrechten. Er hat sich auch bei den Demonstrationen immer an vorderster Front gezeigt. Es gibt schon seit fast 20 Jahren immer wieder Aufstände in Hongkong zum Beispiel gegen die Beschränkung von Bürgerrechten. 2011 ist er aus Protest gegen ein Gesetz zur Kontrolle von kirchlichen Schulen in Hungerstreik getreten. Es gibt in Hongkong viele kirchliche Schulen.

Er ist also jemand, der Mut hat, der auch sehr stark die Politik Chinas sowie die Menschenrechtspolitik Chinas kritisiert. Ursprünglich ist er aus Schanghai. Er hat auch viele Jahre in chinesischen Priesterseminaren unterrichtet, und er setzt sich besonders für die Untergrundkirche ein. Deswegen hat er auch immer wieder sehr stark das chinesisch-vatikanische Abkommen von 2018 kritisiert. Er spricht davon, dass die Untergrundkirche vom Vatikan verraten wurde. Das sind die Töne von Kardinal Zen.

Katharina Feith

"Das ist eine schwerwiegende Sache, einen Kardinal der Kirche zu verhaften."

DOMRADIO.DE: Was ist die Untergrundkirche in China? Gibt es noch eine andere?

Feith: Es gibt etwa zehn Millionen Katholiken in China, davon ist die Hälfte in der offiziellen Kirche, die andere Hälfte in der Untergrundkirche. Untergrund heißt einfach, dass es sich außerhalb des registrierten Rahmens befindet. Also, die Kleriker und die Stätten sind nicht registriert. Es sind Aktivitäten, die auch der Untergrund durchführt, aber eben außerhalb dieses Rahmens. Die Regierung versucht seit zwei, drei Jahren verstärkt, diese Untergrundkirche vollkommen auszumerzen, da man möchte, dass alles in die offiziellen Strukturen überführt wird.

DOMRADIO.DE: Den Vertrag und die Gespräche zwischen dem Vatikan und Peking haben Sie angesprochen. Könnte die Verhaftung von Kardinal Zen Folgen für diese Gespräche haben?

Feith: Es besteht schon eine Gefahr. Gestern hat sich der Vatikan auch gleich sehr besorgt geäußert. Sie werden die Entwicklung sehr genau verfolgen. Das Abkommen wurde schon einmal verlängert. Es wird jetzt im Oktober ablaufen. Wir können gespannt sein, wie sich der Vatikan jetzt weiter verhält. Das ist schon eine wirklich schwerwiegende Sache, einen Kardinal der Kirche zu verhaften, zumal einen inzwischen 90 Jahre alten Mann.

Das Interview führte Hannah Krewer.

Vatikan wegen Festnahme von Kardinal Zen "sehr besorgt"

Der Vatikan hat sich "besorgt" geäußert über die Nachricht der Festnahme des früheren Erzbischofs von Hongkong, Kardinal Zen Ze-kiun. Der Heilige Stuhl verfolge die weitere Entwicklung "mit sehr großer Aufmerksamkeit", erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Mittwochnachmittag. Der 90-jährige Kardinal war Medienberichten zufolge am Morgen in Hongkong festgenommen worden.

Kardinal Joseph Zen / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Kardinal Joseph Zen / © Gregory A. Shemitz ( KNA )
Quelle:
DR