domradio.de: Ende März haben SPD, CDU, FDP, Grüne, Linke und Piraten in Köln diese Fairness-Vereinbarung unterzeichnet. Was genau steht drin in diesem Papier?
Wolfgang Uellenberg-van Dawen (Sprecher Runder Tisch für Integration in Köln): In diesem Papier steht zum einen ein positives Bekenntnis zur Integration und zum friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in dieser Stadt. Aber vor allen Dingen steht auch drin, dass die Parteien im Wahlkampf den Migrantinnen und Migranten keine ansteigende Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Probleme des Sozialstaates zuweisen - auch wenn dies laut ihrem Wahlkampfprogramm selbstverständlich ist.
domradio.de: Wann und warum wurde dann eine solche schriftliche Vereinbarung dafür nötig?
Uellenberg-van Dawen: Das ist, so viel ich weiß, in den 90er Jahren entstanden, als wir hier eine sehr ungute Diskussion über Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien hatten. Ich erinnere nur an den Begriff "Klau-Kids", der hier durch die Presse gelaufen ist. Der Verlag hat sich dafür entschuldigt, hat dann eine andere Position bezogen, aber es gab natürlich eine Diskussion, auch in der Stadt Köln. Und in dieser explosiven Situation hat der Runde Tisch gesagt: Lass uns das Ganze jetzt nicht auch noch in den Wahlkampf tragen und hat den Parteien dieses Abkommen vorgelegt. Seitdem ist es immer wieder unterschrieben worden. Und wenn ich den Rückblick wage, lässt sich sagen: Die Vereinbarung hat eine sehr heilsame Wirkung in der Stadt Köln.
domradio.de: Jetzt haben wir seit den 1990er Jahren eine neue Entwicklung: Ich habe eben in meiner Aufzählung nicht die AfD genannt. Warum hat sie nicht unterschrieben?
Uellenberg-van Dawen: Weil wir eben in dem Fairness-Abkommen den Zusatz stehen haben, dass Parteien die Selbstverpflichtung eingehen, "auch wenn dies laut ihrem Grundsatzprogramm selbstverständlich ist". Das schließt die AfD aus. Sie fordert zum Beispiel die Ausreise von 200.000 Migranten im Jahr. Das ist das Gegenteil von Integration. Die AfD macht in ihrem Grundsatzprogramm - nicht so sehr in ihrem Wahlprogramm, das ist ein bisschen wie der Wolf im Schafspelz - Migranten und Geflüchtete für soziale Problematik, Arbeitslosigkeit, hohe Kosten im sozialen Bereich, Unsicherheit und vieles andere verantwortlich. Die AfD müsste also ein anderes Grundsatzprogramm schreiben - dann würden wir ihr natürlich das Fairness-Abkommen zuschicken. Aber sie hat nunmal dieses Grundsatzrogramm so beschlossen. Das haben wir uns sehr sorgfältig angeguckt. Und deshalb haben wir der AfD dieses Fairness-Abkommen nicht zugeschickt.
domradio.de: Wenn jetzt eine unterzeichnende Partei dennoch gegen diese Grundsätze verstößt, kann sie von Schiedsleuten öffentlich gerügt werden. Wer sind diese Schiedsleute und wie überprüfen sie das?
Uellenberg-van Dawen: Diese Schiedsleute sind die Vorsitzenden des Katholikenausschusses, Hannelore Bartscherer, und der Stadtsuperintendent der Evangelischen Kirche, Rolf Domning. Wir haben dieses Fairness-Abkommen in den Medien veröffentlicht. Nehmen wir ein Beispiel: Wenn jemandem aufgefallen ist, dass auf einer Wahlkampfveranstaltung oder auf einem Plakat gesagt wird, Migranten seien verantwortlich für die massive Zunahme von Einbruchsdiebstählen in NRW, ist der erste Schritt der, dass derjenige den Runden Tisch informiert. Wir forschen nach, bitten, so etwas zu fotografieren und Ähnliches.
Dann gibt es einerseits den Weg, mit der betreffenden Partei zu reden. Das ist die einfachste Lösung. Wenn der Verstoß so massiv ist, dass auch in der Öffentlichkeit Ärger ensteht, geben wir dies weiter an Frau Bartscherer und Herrn Domning. Sie können selbst mit der Partei reden. Aber wenn das alles nichts nützt und wenn der Ärger groß ist, gibt es eine öffentliche Rüge. Und diese öffentliche Rüge - da bin ich ganz sicher - würde in dieser Stadt ihre Wirkung zeigen.
domradio.de: Das sind also die Konsequenzen für die Parteien, so sie denn gegen das Fairnness-Abkommen verstoßen würden. Jetzt ist der Wahlkampf quasi zu Ende. Hatten Sie was zu tun?
Uellenberg-van Dawen: Nein, wir hatten gar nichts zu tun. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass sich die Themen verschoben haben. Wer die Wahlarena gesehen hat und sich bei den Parteien umgehört hat, der sieht: Das Thema Sicherheit ist da, aber als Einbruchskriminalität, die aber nicht Migranten zugewiesen wird. Es gibt eher ein allgemeines Unsicherheitsgefühl. Themen sind eher Verkehr, Infrastruktur, Bildung, bezahlbarer Wohnraum und auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit und des Zusammenlebens. Ich bin sehr froh, dass wir nichts tun müssen, denn es wäre nicht schön, wenn unsere demokratische Kultur hier in Köln durch so etwas beschädigt würde.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.