Familienbund fordert Unterstützung für pflegende Angehörige

"Familien oft sehr allein gelassen"

Der Präsident des Familienbunds der Katholiken Ulrich Hoffmann wünscht sich mehr "Zeit-Souveränität" für Familien. Auch für Menschen, die ihre Angehörige pflegen, müsste mehr getan werden, sagt er am Internationalen Tag der Familie.

Symbolbild Häusliche Pflege / © Ground Picture (shutterstock)
Symbolbild Häusliche Pflege / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Beim Stichwort "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" hat die Politik sicher einiges in den vergangenen Jahren getan. Aber ist das ausreichend? 

Ulrich Hoffmann / © Werner Schüring (KNA)
Ulrich Hoffmann / © Werner Schüring ( KNA )

Ulrich Hoffmann (Präsident des Familienbunds der Katholiken): Aus Sicht der Wirtschaft ist es wahrscheinlich ausreichend. Ich denke, vieles ist getan worden, einfach damit beide Erwachsenen möglichst Vollzeit am Erwerbsleben teilnehmen können. Das war vor allem im Interesse der Wirtschaft. Gelegentlich unter die Räder gekommen ist aber, sich auch die Interessen der Familien anzuschauen, vor allem der Familien, die vielleicht andere Erwerbsmodelle bevorzugen. 

DOMRADIO.DE: Das bedeutet für Sie, Sie hätten gerne mehr Entlastung? 

Hoffmann:  Wir hätten gerne mehr Zeit-Souveränität bei den Eltern, damit sie selber ihre Zeit-Modelle, die Sorge-Zeit, neudeutsch Care-Zeit genannt, und die Erwerbszeit besser aufeinander abstimmen können. Damit sie da mehr Souveränität bekommen. Das ist tatsächlich ein Wunsch, den wir hier immer wieder vorbringen.

DOMRADIO.DE: Durch flexiblere Arbeitszeiten? 

Hoffmann: Durch flexiblere Arbeitszeiten und atmende Lebensläufe, wo auch Zeiten für Care vorgesehen sind, im Arbeitsleben und überhaupt im Lebensverlauf. Da wird in Zukunft noch manches zu tun sein.

DOMRADIO.DE: Wichtiges Thema für Sie als Familienbund ist auch die Pflege von Angehörigen zu Hause. Rund 86 Prozent der Pflegebedürftigen werden im Familienkreis betreut. Das kostet Zeit, Kraft und Geld. Sie fordern da mehr Anerkennung, aber auch mehr Unterstützung. Inwiefern? 

Hoffmann: Wir fordern vor allem, zunächst mal diese Situation in den Blick zu nehmen. Bei der Erziehung hieß es früher, für die Erziehung von Kindern brauche es ein ganzes Dorf. Wir meinen, das gilt noch mehr für die Pflege. Auch für die Pflege von Menschen braucht es ein ganzes Dorf, sprich die ganze Community. 

Ulrich Hoffmann

"Gerade bei der Pflege von Angehörigen sind Familien oft sehr allein gelassen in einem falsch verstandenen Sinne von Subsidiarität, die meint, das überlassen wir alles der kleinen Einheit und die wird das schon irgendwie hinbekommen."

Gerade bei der Pflege von Angehörigen sind Familien oft sehr allein gelassen in einem falsch verstandenen Sinne von Subsidiarität, die meint, das überlassen wir alles der kleinen Einheit und die wird das schon irgendwie hinbekommen. Nur, sie bekommt es alleine nicht hin.

Es muss künftig einen doppelten Blick geben, nicht nur auf die zu Pflegenden, sondern auch auf die Pflegenden selber, also die Angehörigen und Zugehörigen, die vor Überlastung geschützt werden müssen. 

Ulrich Hoffmann

"Hier gibt es von uns ganz konkrete Ideen und Vorschläge, etwa, dass wir die Familienpflegestützpunkte ausbauen müssen und eine intensive Begleitung auch der Menschen erfolgen muss, die Angehörige pflegen."

Hier gibt es von uns ganz konkrete Ideen und Vorschläge, etwa, dass wir die Familienpflegestützpunkte ausbauen müssen und eine intensive Begleitung auch der Menschen erfolgen muss, die Angehörige pflegen. Das sind übrigens nicht nur alte Menschen, sondern manchmal sind auch junge Menschen pflegebedürftig oder sie sind selber als Pflegende eingespannt. 

DOMRADIO.DE: Jetzt sehen wir überall die Europawahlplakate, die Wahlunterlagen sind gekommen und von allen Seiten kommt die Aufforderung, im Sinne der Demokratie unbedingt wählen zu gehen. Welche Rolle spielt da die Familie?

Hoffmann: Zunächst halten wir diesen Appell, unbedingt demokratisch wählen zu gehen, natürlich für richtig und das unterstützen wir auch nachhaltig. Bei Familien kommt hinzu, dass vielfach das Familienthema und die "klassischen Familienmodelle" manchmal völkisch oder nationalistisch okkupiert werden. 

Deswegen ist es uns als Familienverbände wichtig, - ich spreche jetzt den Plural, weil hier auch die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie intensiv mit dabei ist - dass wir Familie nicht verzwecken lassen von irgendwelchen völkischen oder nationalistischen Gedanken, sondern dass Familie um ihrer selbst willen wichtig ist. Familien brauchen Demokratie, um gut wachsen zu können. Allerdings braucht auch die Demokratie Familien, die ihre Kinder im Sinne der Demokratie erziehen.

DOMRADIO.DE: Noch vor der Europawahl startet Ende Mai der Katholikentag in Erfurt. Da werden Sie auch präsent sein. Mit welcher Botschaft? 

Hoffmann: Die Botschaft des Katholikentages an sich ist "Zukunft hat der Mensch des Friedens". Ich denke, das ist eine sehr gute und wichtige Botschaft auch gerade für die Familien, dass wir den Respekt voreinander in dieser Gesellschaft wieder einfordern und auch einüben. 

Ulrich Hoffmann

"Diese Menge an Hasskriminalität, an Fake News, auch die Unfähigkeit zum Kompromiss im politischen Diskurs, all das sind Entwicklungen, die uns große Sorgen machen".

Diese Menge an Hasskriminalität, an Fake News, auch die Unfähigkeit zum Kompromiss im politischen Diskurs, all das sind Entwicklungen, die uns große Sorgen machen. Wir müssen wieder lernen, den Respekt voreinander zu haben, anständig und friedlich miteinander umzugehen und auch Kompromisse zu schließen, nicht immer die eigene Maximalmeinung durchsetzen zu müssen. Da, glaube ich, ist der Katholikentag an der richtigen Stelle, am richtigen Ort und ich freue mich auf die Tage dort.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Familienbund der Katholiken

Der Familienbund der Katholiken ist ein Familienverband der römisch-katholischen Christen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Familienverband der römisch-katholischen Christen in Deutschland (FDK) wurde im Jahre 1953 in Würzburg gegründet. Dem Familienbund der Katholiken gehören als Mitglieder auf Bundesverbandsebene seine Diözesen- und Landesverbände, zudem 15 katholische Mitgliedsverbände an.

Junge Familie mit Kind / © Nina Buday (shutterstock)
Quelle:
DR