KNA: Wie kamen Sie dazu, sich so intensiv mit der Familiengeschichte der Ratzingers zu beschäftigen?
Johann Nußbaum (Autor und Ratzinger-Familienforscher): Ich bin Münchner, war beruflich in Bonn tätig, dann sind wir zurückgezogen nach Bayern und haben ein Haus gefunden in Rimsting am Chiemsee. Dort habe ich mich über den Ort schlau gemacht und ein Heimatbuch mit ein paar Sätzen darüber gefunden, dass die Familie Ratzinger aus Rimsting kommt, also die mütterlicherseits. Das hat mich interessiert. Der Bürgermeister regte dann ein Buch an, das habe ich ehrenamtlich geschrieben. Die Gemeinde hat es 2006 herausgebracht und davon 7.000 Stück verkauft. Ein zweites kam 2013 hinzu. So habe ich meine Verbindung zu den Ratzingers gefunden.
KNA: Wie nahe sind Sie der Familie gekommen?
Nußbaum: Den Georg, den früheren Domkapellmeister und Leiter der Domspatzen in Regensburg, habe ich vor seinem Tod 2020 bestimmt zehnmal besucht, meine Frau ist auch Regensburgerin, und ein paarmal war ich bei Audienzen mit den Gebirgsschützen in Rom. Vor fünf Jahren hatten wir eine Privataudienz bei Benedikt XVI. Eine Stunde lang. Das war sehr bewegend.
KNA: Die direkte Linie der Ratzingers ist mit Benedikt XVI. nun ausgestorben. Wer sind die hinterbliebenen Angehörigen?
Nußbaum: Es gibt noch zwei Cousinen aus der Linie der Mutter. Eine will auch in Rom dabei sein bei der Abschiedszeremonie. Ratzingers Mutter hat mit ihrer Familie lange in Rimsting gelebt, die meisten ihrer sieben jüngeren Geschwister sind dort geboren. Sie blieb am Chiemsee, bis sie auf eine Heiratsanzeige des Gendarmen Joseph Ratzinger antwortete. Der stammte von einem Bauernhof aus der Nähe von Deggendorf. Dort gibt es noch einige Großcousins vom Vater her. Die Familie der Mutter wiederum war in Südtirol ansässig. Da hatten wir aus Rimsting zeitweise eine enge Verbindung. Deswegen war Joseph Ratzinger auch öfter in Brixen.
KNA: Welche Rolle spielten die Frauen in seiner Familie?
Nußbaum: Seine Schwester Maria hat er sehr verehrt, die ist ja sehr früh gestorben, 1991. Seine Mutter, eine gelernte Süßspeisenköchin, war sehr fleißig. Manchmal reichte das Geld nicht, das der Vater für seine Familie mit drei Kindern bekam, auch seine Pension später war nicht sonderlich hoch, da ging sie auswärts etwas hinzuverdienen. Joseph Ratzinger bezeichnete seine Mutter einmal als "poetisch und herzensgut". Das Zitat wurde dann auch der Titel meines ersten Buches.
KNA: Was denken Sie – verlieren die Hinterbliebenen nun mit dem Tod ihres prominentesten Familienmitglieds einen Fixpunkt?
Nußbaum: Das glaube ich schon. Er war neben seinem Bruder Georg das Aushängeschild der Familie.
KNA: Was bewegt Sie selbst im Moment, wenn Sie an den Verstorbenen denken?
Nußbaum: Ich muss sagen, er war ein Mensch mit einem brillanten Geist. Als Gelehrter war er weltweit bekannt und zugleich blieb er immer mit seiner Heimat verbunden. Das fasziniert mich. Bei Begegnungen mit Landsleuten blühte er immer auf, wenn wir von Rimsting, von Traunstein erzählt haben. Er hat Volksmusik geliebt, er hat die Heimat als Kulturgut sehr geschätzt. Das ist auch der Grund, warum jetzt die Gebirgsschützen mit so einer großen Abordnung nach Rom fahren. Er ist im Herzen immer ein Sohn seiner Heimat geblieben. Er ist und bleibt ein Bayer.
Das Interview führte Christoph Renzikowski.