Der Deutsche Familienverband (DFV) und der Familienbund der Katholiken (FDK) haben sich enttäuscht über die Verfassungsgerichtsentscheidung zu Sozialversicherungsbeiträgen von Familien gezeigt. Zwar seien die Karlsruher Richter bei der Pflegeversicherung den Argumenten der klagenden Familien größtenteils gefolgt, betonten die Verbände. Dies betreffe aber "leider nur den ökonomisch unbedeutendsten der drei Sozialversicherungszweige", sagte FDK-Präsident Ulrich Hoffmann in Berlin. "So kann es nicht gelingen, Familien aus der strukturellen Benachteiligung und der Armut zu holen."
Forderungen nach Kinderfreibeträgen für Renten- und Krankenversicherungen
Die Verbände kündigten an, das Streiten für eine finanzielle Besserstellung von Familien nun von der juristischen auf die politische Ebene zu verlagern. "Familien sorgen durch die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder überhaupt erst für die Zukunftsfähigkeit unseres solidarischen Generationenvertrages", so Hoffmann. Die Verbände forderten weiterhin einen Kinderfreibetrag bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Andernfalls drohten Härtefälle, in denen Familien auch durch Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen unter das Existenzminimum rutschten, so die Verbände.
Das Bundesverfassungsgericht lehnte in seiner Entscheidung die von drei Familien aus Baden-Württemberg vorgebrachten Beschwerden weitgehend ab. Es liege keine verfassungswidrige Benachteiligung von Familien mit Kindern im Vergleich zu Kinderlosen vor.
Die Richter verwiesen darauf, dass Eltern für die Erziehungszeiten und daraus entstehende finanzielle Nachteile bereits substanziell entlastet würden: durch die beitragsfreie Mitversicherung von minderjährigen Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung und durch die Anrechnung von Erziehungszeiten im System der Rentenversicherung. Die finanziellen Belastungen von Familien mit Kindern seien "hinreichend kompensiert".
Gesetzesänderung bis Juli 2023
Das Gericht gab den Verfassungsbeschwerden aber in einem Punkt statt: Bei der Berechnung der Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung müssten Familien mit mehreren Kindern künftig stärker als Familien mit nur einem Kind entlastet werden. Die Richter verpflichten den Gesetzgeber, bis Juli 2023 eine entsprechende Gesetzesänderung zu beschließen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rief dazu auf, die Neuregelung fristgerecht umzusetzen. Der frühere Bundesgesundheitsminister und Unions-Fraktionsvize Jens Spahn begrüßte die Entscheidung. Es sei richtig, kinderreiche Eltern bei den Sozialabgaben stärker zu entlasten, weil sie "gleich mehrere künftige Beitragszahler großziehen, davon profitieren auch Kinderlose wie ich", sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Hier betonte auch der Paritätische Gesamtverband, eine Entlastung kinderreicher Familien sei "nur logisch".
Seit Anfang 2019 liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung bei 3,05 Prozent. Kinderlose zahlen aber - infolge eines Verfassungsgerichtsurteils von 2001 - einen Aufschlag. Dieser betrug zunächst 0,25 Prozentpunkte und erhöhte sich zu Jahresbeginn 2022 auf 0,35 Prozentpunkte. Dabei werden Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder gleichgestellt.
Keine Nachteile durch Kinder
Dies kritisierte das Verfassungsgericht nun als grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung. Denn mit steigender Kinderzahl und bereits ab dem zweiten Kind nähmen die finanziellen Belastungen weiter zu. Zum einen durch die konkreten laufenden Ausgaben für die Kinder, zum anderen durch die während der tendenziell längeren Erziehungszeiten entgangenen Einnahmen im Beruf. Diesen "Nachteil der Eltern mit mehr Kindern" müsse der Gesetzgeber abstellen.
Die drei Familien hatten mit Unterstützung des Familienbunds der Katholiken und des Deutschen Familienverbands seit Jahren für eine Entlastung von Familien bei den Sozialabgaben gestritten.
Die Verbände argumentieren, dass Familien bei der Finanzierung von Rente, Krankenversicherung und Pflege doppelt zur Kasse gebeten würden: neben den eigentlichen Beiträgen auch für die Ausgaben für ihre Kinder, die künftigen Beitragszahler im Umlagesystem der Sozialkassen. Daher lautete die Forderung, dass Eltern während der Erziehungsphase ihrer Kinder geringere Monatsbeiträge zahlen sollten.