Einige seiner "etwas 'fanatischen' Freunde" seien immer noch verärgert und wollten diese Entscheidung nicht akzeptieren. Als Beispiel nannte der emeritierte Papst "Verschwörungstheorien", die nach seinem Rücktritt entstanden seien: "Manche sagten, es sei wegen des Vatileaks-Skandals", andere "wegen eines Komplotts der Schwulenlobby", wiederum andere vermuteten als Grund den Fall des traditionalistischen Lefebvre-Bischofs Richard Williamson. Diese Leute, so Benedikt weiter, "wollen nicht an eine bewusst getroffene Entscheidung glauben. Aber mein Gewissen ist rein."
Besorgt über Irak-Reise
Mit Bezug auf den bevorstehenden Besuch von Papst Franziskus im Irak äußerte sich dessen Vorgänger besorgt. Dies sei "eine sehr wichtige Reise", so Benedikt XVI. Leider falle sie in eine schwierige Zeit, was sie zu einer gefährlichen Reise mache: aus Sicherheitsgründen und wegen Covid-19. "Ich werde Franziskus mit meinen Gebeten begleiten".
Der Zeitung zufolge streifte das Gespräch zwei Mal politische Themen. So habe Benedikt sich nach Italiens neuem Ministerpräsidenten Mario Draghi erkundigt. Er hoffe sehr, "dass es ihm gelingt, die Krise zu lösen". Draghi sei "ein Mann, der auch in Deutschland sehr geschätzt wird."
Wertschätzung für Biden
Den neuen US-Präsidenten Joe Biden schätzt der emeritierte Papst dem Bericht zufolge persönlich: "Er ist katholisch und gläubig und ist persönlich gegen Abtreibung." Allerdings neige er als Präsident dazu, sich der Linie der Demokratischen Partei anzuschließen. Mit Bezug auf Gender-Politik habe er "noch nicht ganz verstanden", was Bidens Position sei.
Laut "Corriere" dauerte das Treffen mit Benedikt XVI. 45 Minuten. Der frühere Bischof von Rom habe sehr leise, mit dünner Stimme, aber betont gesprochen. Hin und wieder habe Erzbischof Gänswein übersetzt, dessen Äußerungen Benedikt durch Kopfnicken bestätigt habe.
Gänswein: Benedikt hat Rücktritt nie bereut
Der frühere Papst ist nach Aussage seines Privatsekretärs, Erzbischof Georg Gänswein, nach wie vor von der Richtigkeit seines Rücktritts vor acht Jahren überzeugt. "Er ist überzeugt, dass es eine richtige Entscheidung war und ist", so Gänswein am Sonntagabend in einer Sendung des Senders Tgcom24. Dabei erinnert er daran, dass am Sonntag vor acht Jahren das Pontifikat des Papstes aus Deutschland endete.
Zu der Möglichkeit, dass es künftig weitere emeritierte Päpste geben könnte, sagte der Präfekt des Päpstlichen Hauses: "Ich bin kein Prophet, aber die Möglichkeit des Verzichts gibt es schon so lange, wie es das Papsttum gibt." Es sei für ihn sinnlos, "Prophezeiungen über Papst Franziskus oder die kommenden Päpste zu machen", so Gänswein.
Rücktritt "völlig berechtigt"
Wenn man aber wie bei Benedikt XVI. "die Entscheidung zum Amtsverzicht auf realistische Art und Weise und aus wichtigen Gründen trifft, wird dies eine sozusagen natürliche Sache und völlig berechtigt". Der Rücktritt eines Papstes werde dann "eine Situation, der nichts Außergewöhnliches mehr anhaftet".
Am Samstag hatte die argentinische Zeitung "La Nacion" Auszüge eines Interviews mit Papst Franziskus vor allem zu seiner Gesundheit veröffentlicht. Darin sagte Franziskus, er wolle in Rom sterben, entweder als Papst im Amt oder emeritiert.