Wenn es um seine Kunst geht, ist Markus Lüpertz nicht zu bremsen: Ohne Rücksicht auf seinen teuren Maßanzug und das obligatorische Einstecktüchlein aus Seide klettert der bald Achtzigjährige die Leiter empor und hantiert mit Farben und Pinsel.
Der Meister ist gefangen von seinem noch nicht ganz vollendeten Werk. Will seine Vision von Kunst in spannungsvoller Balance halten. Letzte Korrekturen sind Ehrensache.
Solch einen Moment haben Glasmalermeister Roland Prahl und Bärbel Gottschling-Djahandoust schon oft erlebt, wie sie erzählen. Seit 15 Jahren bilden sie in den Derix-Glasstudios Taunusstein das "Team Markus Lüpertz". Aufgabe der beiden Experten ist es, nach den Vorgaben des international renommierten Künstlers Glasfenster für verschiedene Kirchen auszuführen. Dazu gehören aktuell auch jene für die spätgotische Sankt-Elisabeth-Kirche in Bamberg.
Spezielle Außenseiterarbeit
"Ich hänge an dieser Bamberger Geschichte!", sagt Lüpertz. Für ihn seien diese relativ kleinen Fenster eine ganz spezielle Außenseiterarbeit. "Ich liebe es, individuelle Lösungen zu finden", fügt der Künstler hinzu, der zeitgleich noch die viel größeren Fenster der Kölner Sankt-Andreas-Kirche als weiteres Herzensprojekt auf dem Plan hat.
Der Bamberger Auftrag hat ihm jedoch einige Geduld abverlangt: "Ich war frustriert über den zögernden Verlauf." Denn von seiner Idee (2008), Fenster für die Elisabethenkirche zu entwerfen, bis zum Beginn des Einbaus vergingen elf Jahre. 2019 wurden die ersten beiden Fenster enthüllt, nach Ostern 2021 sind vier weitere dran. Wann das Projekt abgeschlossen sein wird, ist derzeit offen. Zumal das ehrgeizige Kunstvorhaben - verbunden mit Kosten in Höhe von 600.000 Euro - auf Stiftungen, Spender und Sponsoren angewiesen ist.
Um dafür zu werben, gründeten engagierte Freunde und Förderer moderner Kunst die "Initiative Glasfenster Markus Lüpertz". Zu Schirmherren wurden Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und Erzbischof Ludwig Schick erkoren. Vor allem eine kleine Gruppe um den Pfarrer Hans Lyer engagiert sich stark.
Gott sucht die Nähe zu den Menschen
Sieben der raumhohen Fenster sollen Legenden aus dem Leben der heiligen Elisabeth mit den sieben Werken der Barmherzigkeit aus der biblischen Tradition verbinden: Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Almosen geben, Tote begraben, Nackte bekleiden, Hungrige speisen, Obdachlose beherbergen. Das achte Fenster bündelt diese Werke in dem alles zusammenfassenden Satz "Was ihr für eines meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40).
Für den Priester und Gefängnisseelsorger Lyer ist die inhaltliche Aussage dieser Glasfenster: "Gott hält keinen Abstand, sondern sucht die Nähe zu den Menschen." Er sei bei den Armen, Schwachen, Kranken - wie die heilige Elisabeth. In seiner überbordenden Farb- und Formensprache hat sich Lüpertz an die Gestaltung der Fenster als eben diese Glaubensverkündigung gemacht. Schließlich nennt er die katholische Kirche seine "spirituelle oder mystische Heimat".
Ur-Sehnsucht nach ewigem Licht
Sein Einfühlungsvermögen in theologische Belange zeigt die große Meisterschaft von Lüpertz. Eine Meisterschaft im alten Metier der Glasmalerei, die auf mundgeblasenen, antiken Opakgläsern - mit Bleiruten als Gestaltungsmittel - ihren leuchtenden Ausdruck findet: "Diese illustriert die große Ur-Sehnsucht des Menschen nach ewigem Licht", erläutert Pfarrer Lyer.
Die Realisierung der Kirchenfenster ist sicher eine Chance für Bamberg, das Weltkulturerbe auch in die Gegenwart zu tragen. Und zwar durchaus provokant. Denn Lüpertz stellt die Personen auf den Fenstern nicht naturgetreu dar, sondern fragmentarisch. Gefälliger für das Auge sind die ornamentalen Partien, die als verbindendes Element in allen Fenstern wiederkehren. Das lineare und farbliche Gewebe wächst mit den Figuren zu einer Einheit zusammen. Auch darin zeigt sich, dass Lüpertz ein ausgesprochener Farbmaler ist und mit jenem Stoff arbeitet, der die Schöpfung erhellt: mit dem im Glas gefangenen und von ihm in den Kirchenraum ausstrahlenden Licht.