Festakt für Mainzer "Arbeiterbischof" Ketteler

"Erwecker des sozialen Gewissens"

Das Bistum Münster hat den vor 200 Jahren geborenen "Arbeiterbischof" Wilhelm Emmanuel von Ketteler gewürdigt. Die sozialpolitischen Forderungen des 1811 in Münster geborenen Geistlichen und späteren Mainzer Bischofs "haben nach wie vor nichts an Aktualität verloren", sagte Münsters Bischof Felix Genn.

 (DR)

So habe sich Ketteler, der von 1850 bis 1877 die Mainzer Diözese leitete, für einen gerechten Arbeitslohn, sozialverträgliche Arbeitszeiten, die Einhaltung von Ruhetagen, das Recht auf Eigentum und die Förderung von Selbsthilfe eingesetzt, sagte Genn bei einem Festakt am Sonntag in Mainz..



Lehmann: Wirkung über deutschen Raum hinaus

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann bezeichnete in seinem Festvortrag seinen Amtsvorgänger Ketteler als "großen Hirten" und "Mann der Tat". Als Angehöriger des "niederen Adels" habe er eine große Nähe zu den Menschen und Bauern gehabt. Hierin wurzelten seine Sorge um das Elend vieler Menschen und besonders des Arbeiterstandes in frühindustrieller Zeit. Als "Erwecker des sozialen Gewissens" habe er auf die Spaltung zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden hingewiesen und große Bedeutung für die katholische Sozialbewegung Deutschlands erlangt.



Laut Kardinal war Ketteler zunächst überzeugt, dass christliche Nächstenliebe eine Wende in der Armutsbekämpfung bewirken könne. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe er dagegen die Auffassung vertreten, dass dies nur durch Sozialpolitik zu erreichen sei. Dabei habe er Industrie und Kapitalismus nicht verteufelt. Vielmehr habe er dafür plädiert, innerhalb des kapitalistischen Systems die soziale Welt zu gestalten. Dazu habe für ihn auch der gewerkschaftliche Zusammenschluss der Arbeiter und eine staatliche Gesetzgebung zur Humanisierung der industriellen Arbeitswelt gehört.



Nach den Worten Lehmanns hat Ketteler über den deutschen Bereich hinaus Wirkung entfaltet, indem seine Ideen in die Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) von Leo XIII. eingeflossen seien. Viele seiner Grundgedanken fänden sich auch in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965) wieder. Zudem habe sich der Bischof in der Zeit des Kulturkampfes "mit großer Schärfe" für die Freiheit der Kirche eingesetzt.



Nur sechs Jahre nach der Priester- die Bischofsweihe

Ketteler wurde am 25. Dezember 1811 als sechstes von neun Kindern des Freiherrn Maximilian Friedrich und seiner Ehefrau Franziska Clementine von Ketteler in Münster geboren und einen Tag später in der dortigen Lamberti-Kirche getauft. Der Jesuitenschüler schlug zunächst eine juristische Laufbahn ein, bevor er in Eichstätt und Münster Theologie studierte.



1844 empfing er in Münster die Priesterweihe. Er arbeitete als Kaplan und Pfarrer in Beckum und Hopsten, war Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung und Propst von Sankt Hedwig in Berlin, bevor er 1850 Bischof von Mainz wurde.