DOMRADIO.DE: Tausend Jahre – das ist eine ganz schön lange Zeit. Wie bedeutsam ist das im Vergleich zu anderen Kirchenbauten in Deutschland der Wormser Dom?
Tobias Schäfer (Wormser Dompropst): Der Dom ist schon deshalb bedeutend, weil Worms über eine große Zeit des Mittelalters ein wesentliches Zentrum der Reichsgeschichte darstellt. Unglaublich viele Reichstage, Hoftage, Kaiser-Aufenthalte haben hier in Worms stattgefunden. Es hat sich hier viel an Geschichte und Politik ereignet. Der Wormser Dom war immer mittendrin. Das ist schon eine besondere Geschichte.
DOMRADIO.DE: Wenn man ihn jetzt nicht vor Augen hat – wie sieht ihr Dom aus?
Schäfer: Er hat schon etwas von einer Burg mit vier Flankentürmen sowie einem großen Vierungsturm und einem Turm über dem Westchor, also insgesamt sechs Türmen. Das ist ein imposantes Bauwerk und steht auf einem kleinen Hügel. Man sieht ihn von überall, wenn man auf Worms zufährt: diesen Dom, der wie eine Krone über der Stadt thront.
DOMRADIO.DE: Man hört förmlich die Liebe, die Sie zu dieser Kirche haben. Was mögen Sie persönlich am meisten?
Schäfer: Ja, mich fasziniert dieser stilechte romanische Bau. Er hat eine eigene Authentizität. Das ist einfach wunderschön. Viele Touristen, die hereinkommen, haben zuerst einmal das Gefühl, dass er furchtbar ist. Man hat natürlich in der Romanik noch relativ kleine Fenster gehabt. Man hat aber auch eine Lichtinszenierung gemacht. Die Augen müssen sich erst langsam an die Dunkelheit gewöhnen.
Dann merkt man, das Licht kommt von oben: Da wo Gott ist – da ist das Licht. Wo wir Menschen sind, das ist immer ein bisschen die Schattenwelt und vorne am Altar, da ist es wirklich hell. Da, wo uns Gott begegnet, ist Licht. Das ist eine regelrechte Inszenierung durch die Architektur, das fasziniert mich unglaublich.
DOMRADIO.DE: Im Mittelalter war Worms ein wichtiges politisches Machtzentrum. Deshalb gibt es natürlich auch ganz viele Geschichten rund um diesen Dom. Welche erzählen Sie am liebsten?
Schäfer: Ja, es gibt eine ganze Menge von Geschichten. Hier ist ein Papst gewählt worden. Hier ist ein Papst in der Domschule erzogen worden, der erste deutsche Papst überhaupt. Aber die originellste Geschichte ist die Kaiserhochzeit von Friedrich dem Zweiten und Isabella von England. Denn die Braut des Kaisers war eigentlich seinem Sohn zugedacht gewesen, um ein Bündnis mit England zu schmieden.
Aber der Sohn hat die Dummheit besessen, einen Aufstand gegen seinen Vater anzuzetteln und ist dann hier in Worms in Haft genommen und verurteilt worden und später im Verlies gestorben. Und um die Strafe sozusagen noch komplett zu machen, hat der Vater dann die Braut seines Sohnes noch im Wormser Dom geehelicht.
DOMRADIO.DE: Und die hatte natürlich sowieso kein Wörtchen mitzureden...?
Schäfer: Ja, die Bündnisse waren schon geschmiedet.
DOMRADIO.DE: In dieser Woche gibt es eine große Festwoche für den Wormser Dom. Was erwartet da die Besucher?
Schäfer: Wir haben ein ganz buntes Programm: Das fängt am Mittwoch mit einem Kindertag für die Kindergartenkinder an. Über 500 Kindergartenkinder werden den Dom entdecken und erkunden. Am Donnerstag haben wir die Domtafel des Dombauvereins, also eine Art Benefiz-Gala auf dem Domplatz unter freiem Himmel oder unter einem großen Zeltdach. Das ist, glaube ich, vom Ambiente, von der ganzen Atmosphäre eine ganz einmalige Sache.
Am Freitag ist abends ein großes Domkonzert, am Nachmittag ein Seniorentag. Und am Samstag und am Sonntag feiern wir einfach ein großes Familienfest auf dem Domplatz mit allen möglichen Angeboten: etwa einem Fesselballon an einem Kran, mit dem man praktisch über den Dom hinauffahren kann. Außerdem kann man sich selber eine Gedenkmünze prägen. Man kann Steinmetzen bei der Arbeit zuschauen.
DOMRADIO.DE: Wir müssen noch kurz klären: Jeder, der ein älteres Häuschen hat, der weiß, es gibt immer etwas zu reparieren. Wie ist das beim Wormser Dom? Mussten Sie sich da schonmal ernsthaft Sorgen machen – dass alles hält?
Schäfer: Der Wormser Dom ist natürlich immer wieder gefährdet gewesen. Schon zwei Jahre nach seiner Einweihung ist ein erster Teil eingestürzt. Und im 19. Jahrhundert gab es noch eine große Krise, wo der Dom akut einsturzgefährdet war und man in einer großen Rettungsaktion ganze Teile des Domes abgetragen hat. Aber denkmalpflegerisch für die damalige Zeit einmalig.
Man hat wirklich die Steine durchnummeriert und sie nachher genau exakt an ihre Positionen wieder aufgebaut, sodass der Dom also exakt wieder so dasteht, wie vorher. Aber man hat ihn im Westchor komplett abgetragen, neu fundamentiert und dann wieder aufgebaut. Jetzt steht alles sicher und fest.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.