Beginnend mit dem Pontifikalamt an diesem Palmsonntag absolvieren die Sängerinnen und Sänger der Chöre am Dom jedes Jahr in der Karwoche ein ziemlich dichtes liturgisches Programm. Denn zu keinem anderen Zeitpunkt sieht der Kirchenkalender eine vergleichbar eng aufeinander folgende Häufung festlicher Gottesdienste vor. Nicht nur angesichts ihres musikalischen Beitrags zum Osterfest, sondern auch theologisch-inhaltlich sind dann alle Ensemble-Mitglieder in dieser Zeit der Vorbereitung auf das größte Fest der Christenheit außergewöhnlich gefordert. Denn in der Kölner Dommusik ist es gute Tradition, sich während der Karwoche einerseits mit intensiver Probenarbeit, aber gleichzeitig auch mit spirituellen Einheiten auf die Osterbotschaft einzustimmen und die Gestaltung aller Messfeiern noch bewusster als sonst anzugehen.
Intensive Auseinandersetzung mit Leidensgeschichte Jesu
Dazu gehört vor allem auch für die jüngeren Chormitglieder, sich von einem Team rund um Domvikar Tobias Hopmann, dem Präses der Chöre, an den vier Vormittagen – Montag bis einschließlich Gründonnerstag – zwischen den Proben im Lindenthaler Kardinal-Höffner-Haus immer wieder zur Auseinandersetzung mit einzelnen Themen anleiten zu lassen, um sich bewusst der Leidensgeschichte Jesu zu stellen und das Abendmahl- und Kreuzwegsgeschehen in anschaulichen Schritten nachzuvollziehen. Am Ende gehört auch die Einladung zur Beichte zu diesem pädagogischen Konzept, das sich über die Jahre für die etwa 200 Kinder und Jugendlichen bewährt hat.
"Die Gestaltung der Chrisam-Messe, der Abendmahlfeier mit Fußwaschung, der Trauermette, des Kreuzwegs, der Karfreitagsliturgie sowie der Osternacht und der Ostermessen ist dem gesamten Team der Dommusik ein Herzensanliegen. Dafür setzen wir aus Überzeugung viel Zeit und Kraft ein. Denn es gehört zu unserem Kerngeschäft, den zentralen Feierstunden unseres christlichen Glaubens einen ganz besonderen Rahmen zu geben und dem Leiden und Sterben Jesu ein musikalisches Gesicht", sagt Domkapellmeister Eberhard Metternich dazu. "Die Kinder erleben die Musik, mit der sie sich in diesen Tagen beschäftigen, ganz anders, wenn sie vorher dazu einen emotionalen Zugang gefunden haben."
Vielseitiges Repertoire
Doch auch über die Karfreitagsliturgie im Dom hinaus, bei der in jedem Jahr der Knaben- oder Mädchenchor im Wechsel die Sterbestunden Jesu Christi mit einer a-cappella-Passion darstellt – in diesem Jahr ist es der Mädchenchor am Kölner Dom mit der von Domkantor Oliver Sperling komponierten Johannes-Passion – wirken die Chöre am Dom regelmäßig in den Kar-Tagen bei Passionsmusik mit. Denn immer ist es auch wenigstens eine der beiden großen Bach-Passionen in der Kölner Philharmonie, die noch zusätzlich auf ihrem Programm für die Zeit kurz vor Ostern steht. So führt in diesem Jahr das Vokalensemble Kölner Dom gemeinsam mit dem Kölner Kammerorchester unter der Leitung von Christoph Poppen am Karsamstag die Matthäus-Passion von Bach auf. Den Knabenchorpart übernehmen die Jüngsten des Kölner Domchores, so dass dieses Konzert gleich in der Hand von zwei der vier Domchöre liegt. "Diese regelmäßigen Beteiligungen zeigen uns, dass wir gerade auf dem Gebiet der liturgischen Chormusik für Qualität stehen, die uns ein unverwechselbares Profil gibt und uns auch ein Stück stolz machen kann", kommentiert Metternich, der Wert darauf legt, dass sowohl die Johannes- als auch die Matthäus-Passion zum abrufbaren Repertoire seiner Chöre zählt.
Eine Vielzahl von Motetten und Ordinariumsteilen aus kleineren Messen und den unterschiedlichsten Epochen – angefangen bei den Renaissance-Meistern Tomás Luis de Victoria, Josquin de Prés, Palestrina, William Byrd und Orlando di Lasso über Antonio Lotti, Josef Rheinberger, Brahms und Mendelssohn bis hin zu Siegfried Strohbach, Wolfram Menschick, Bob Chilcott, Eriks Esenvalds und Colin Mawby – muss in den kommenden Tagen mit insgesamt zehn liturgischen Feiern auf den Punkt abrufbar sein. Das heißt, diese Komplexität erfordert von allen Beteiligten – auch den Jüngsten im Alter von gerade mal zehn Jahren – ein hohes Maß an Fleiß, Konzentration und Disziplin. Für die Osternacht, in der der Mädchenchor das Pontifikalamt mit Erzbischof Kardinal Woelki Woelki gestaltet, hat Domkantor Oliver Sperling dann zwar eine Reihe von Gemeindeliedern zusammengestellt. Doch oft hat er selbst zu den bekannten Melodien mehrstimmige Chorsätze geschrieben, die ebenfalls rechtzeitig erarbeitet sein wollen, um sich seinen Sängerinnen einzuprägen und der etwa zweieinhalbstündigen Liturgie einen erwartungsgemäß feierlichen Stempel aufzudrücken.
Osterjubel mit dem Händel’schen "Halleluja"
Den krönenden Abschluss dieser Tage bildet dann am Ostermontag eine Orchestermesse. Winfried Krane, Leiter der Domkantorei Köln und der Kölner Domkapelle, dirigiert die Messe in D-Dur von Johann Nepomuk Hummel. "Sie passt musikalisch ganz wunderbar, ist nicht zu umfangreich, verfügt aber dennoch über sehr expressive Teile und unterstreicht an einem solchen Tag einmal mehr die Festlichkeit der Liturgie. Schließlich ist das die Aufgabe sakraler Musik", sagt er. Den eigentlichen Höhepunkt aber hebt sich der Chorleiter für den Schluss auf. Da soll natürlich passend zum Osterjubel auch das Händel’sche "Halleluja" nicht fehlen.
Beatrice Tomasetti