Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer

UNHCR: Mindestens 700 Tote

Binnen weniger Tage sind vermutlich mehr als 700 Menschen bei dem Versuch umgekommen, mit Schlepperbooten von Nordafrika nach Italien zu gelangen. Fast täglich riskieren Menschen ihr Leben auf dem Mittelmeer.

Gekentertes Boot mit Flüchtlingen  (dpa)
Gekentertes Boot mit Flüchtlingen / ( dpa )

Binnen weniger Tage sind vermutlich mehr als 700 Menschen bei dem Versuch umgekommen, mit Schlepperbooten von Nordafrika nach Italien zu gelangen. Die Zahlen gründeten auf Aussagen von Überlebenden, sagte Carlotta Sami vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Rom. Es seien drei Schiffsuntergänge vom Mittwoch, Donnerstag und Freitag berücksichtigt.

Von einem am Donnerstag gekenterten Boot würden 550 Menschen vermisst, sagte Sami. Etwa 100 könnten im Rumpf eines am Mittwoch gesunkenen Schiffes gefangen sein. Bei einem Schiffbruch am Freitag sei die Zahl der Opfer unklar. Überlebende hätten auch von Vermissten anderer Flüchtlingsboote berichtet. "Wenn wir diese düsteren Zahlen zusammenführen, so schätzen wir, dass es mindestens 700 Opfer gibt - ohne Sicherheit in Bezug auf die Zahlen und die Identität der Opfer", sagte Sami. 

Wieder mehr Menschen auf der See 

Seit vergangenem Montag erreichen wieder mehr Migranten Italien auf dem Seeweg. Mit Hilfe der Küstenwache konnten rund 13 000 Menschen gerettet sowie 50 Todesopfer geborgen werden. Knapp 1700 Flüchtlinge sind der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge zudem an der Küste gelandet. Zuletzt waren in der Nacht zum Sonntag 40 Menschen "nach einer schwierigen Suche" von einem Schlauchboot nahe der Insel Lampedusa gerettet worden, wie die Küstenwache auf Twitter mitteilte.

Nach der Schließung der Balkanroute über Griechenland und die Türkei ist Italien zum Hauptzugangsweg für Migranten nach Europa geworden. IOM-Zahlen zufolge erreichten im Zeitraum vom 19. bis 26. Mai nur 272 Flüchtlinge Griechenland; 5674 kamen nach Italien. Die meisten brechen von Libyen auf. Dort warten laut IOM zwischen 100 000 und 200 000 Menschen auf die Überfahrt nach Europa.

Flüchtlinge aus Afrika 

Die Mehrzahl der Ankömmlinge in Italien stammen laut Sami vom Horn von Afrika sowie vom südlichen Teil des Kontinents. Einige kämen auch aus Algerien, Ägypten, Marokko und Syrien. Mehr als 70 Schlepperboote hätten in der vergangenen Woche in Libyen abgelegt, meldete die Nachrichtenagentur ANSA unter Berufung auf Kreise des italienischen Innenministeriums. Einige seien auch aus ägyptischen Häfen gekommen. Viele Boote seien kaum seetüchtig.

Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber forderte die Zerstörung des Schlepperunwesen notfalls mit Gewalt, um "das Sterben im Mittelmeer" zu beenden. "Gegen die Schlepper muss man mit aller Härte vorgehen", sagte der EVP-Fraktionschef im Europaparlament der "Bild am Sonntag". "Wenn es darauf ankommt, auch mit dem Einsatz von Waffen und innerhalb der 12-Meilen-Zone vor Libyen." Zudem müsse man mit den Staaten Nordafrikas Abkommen gegen die illegale Migration schließen.

Europa entscheidet 

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz erklärte, Europa dürfe sich in der Flüchtlingspolitik nicht von der Türkei abhängig machen. Er forderte den "gemeinschaftlichen Schutz der Außengrenzen", humanitäre Hilfe vor Ort und die Zurückweisung illegaler Einwanderer. Man müsse "klar sagen: Wir in Europa und nicht die Schlepper entscheiden, wen wir aufnehmen", sagte er dem "Spiegel".

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi betonte angesichts des drastischen Anstiegs der Flüchtlingszahlen der vergangenen Tage, die italienischen Aufnahmezentren stünden "nicht vor dem Kollaps". Flüchtlinge aus Seenot zu retten, ohne gleichzeitig eine "Strategie für Afrika" zu entwickeln, werde das Problem jedoch nicht lösen, sagte er der katholischen Tageszeitung "Avvenire". "Wir müssen ihnen zu Hause helfen, angefangen von verstärkten Investitionen in die internationale Zusammenarbeit."


Quelle:
dpa , epd