Bischof Voderholzer schließt muslimische Mehrheitsgesellschaft nicht aus

Folge der "Lauheit der Christen"?

Könnte es in Deutschland zukünftig eine mehrheitlich muslimisch geprägte Gesellschaft geben? Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hält dies für möglich. Den Grund sieht er aber weniger im Islam, sondern in der "Lauheit der Christen".

Muslime in Deutschland / © Oliver Berg (dpa)
Muslime in Deutschland / © Oliver Berg ( dpa )

"Wer mit wachen Sinnen die Entwicklung ansieht, wird die Möglichkeit, dass eine muslimische Mehrheitsgesellschaft kommen wird, nicht ausschließen können", sagte Voderholzer am Dienstag im Interview des österreichischen Internetportals kath.net.

Eine Ursache für eine von manchen befürchtete Islamisierung liege aber weniger in der Attraktivität des Islam, so der Bischof weiter - zugrunde liege vielmehr "die Lauheit der Christen". Sie seien es, die "ihre Herkunft vergessen und ihren Glauben nicht mehr ernst nehmen".

Weihnachten ein Glühweinfest

Dies könne man etwa jetzt im Advent beobachten: "Für viele Muslime sind die Weihnachtsmärkte der Inbegriff christlicher Kultur schlechthin, und Weihnachten nehmen sie als Glühweinfest wahr. Das erfahren sie, wenn sie unsere Gesellschaft erleben." Das "Eigentliche" von Weihnachten bleibe dann völlig verborgen.

Der christliche Glauben müsse "in seinem Reichtum, in seiner ganzen Schönheit" ernst genommen und "frohen Sinnes" gelebt werden, empfahl Voderholzer. Dann wirke er auch integrativ und könne andere Menschen überzeugen. "Solange wir den Eindruck vermitteln, dass wir selber gar nicht glauben, was wir glauben, werden wir uns nicht wundern dürfen, dass ein anderer vitalerer Glaube irgendwann einmal an unsere Stelle treten wird."

Weiter betonte der Bischof: "Es geht beim Islam nicht um irgendwelche Bräuche, pro Kopftuch und contra Schweinefleisch, sondern es geht um das Gottesbild." Der christliche Glaube sei der Glaube an den dreifaltigen Gott. "Deswegen ist ein umfassend kulturelles Miteinander von Christen und Muslimen nach meinem Dafürhalten nicht möglich. Es gibt ein kulturelles Nebeneinander."

Für Missbrauch in Kirche "nur abgrundtief schämen"

Mit Blick auf Missbrauch in der katholischen Kirche hat Voderholzer weiter von "fürchterlichen Dingen" gesprochen. "Man kann sich dafür nur abgrundtief schämen", so Voderholzer. "Wir werden nicht verhindern können, dass es aktuell bleibt." Kindesmissbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Problem: Die Verbrechensstatistik in Deutschland werde auch für dieses Jahr wieder über bis zu 15.000 bekanntgewordene Fälle berichten.

In der katholischen Kirche sei seit 2002 und 2010 "sehr viel an Prävention und auch an Aufarbeitung geleistet worden", sagte der Bischof weiter: "Fakt ist auch, dass die 'von alten zölibatären Männern geleitete' katholische Kirche die erste und bislang einzige große Institution der Zivilgesellschaft in Deutschland ist, die sich offen und schonungslos, auch unter Einbeziehung von Kompetenz von außen, diesem Thema stellt und es umfassend angeht."

Für die katholische Kirche hatten Wissenschaftler die "Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" Ende September in Fulda bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden. Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind.

Kirche muss sich weiter anstrengen

Die Studie müsse jetzt weiter wissenschaftlich studiert und auch auf "ihre Stärken und Schwächen" hin untersucht werden, sagte Voderholzer: "Wir sollten noch längst nicht mit unseren Anstrengungen zufrieden sein."

Positive Entwicklungen dürften aber auch nicht schlecht geredet werden, ergänzte der Bischof: "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche - auch innerkirchliche Kreise - die Fälle sexueller Gewalt dazu missbrauchen, ihre Rezepte, die schon vorgestern nichts taugten, mal wieder anzupreisen und die Straftaten als Gelegenheit zu verdrehen, endlich ihre 'andere Kirche' zu erschaffen", so Voderholzer: "Das ist es, was ich Missbrauch des Missbrauchs nenne."


Bischof Rudolf Voderholzer / © Maria Irl (KNA)
Bischof Rudolf Voderholzer / © Maria Irl ( KNA )
Quelle:
KNA