Der Religionsunterricht sei mit seinem Beitrag "zu einer reflektierten Persönlichkeitsentwicklung wichtig für Einzelne wie auch für die politische Gemeinschaft insgesamt", schreiben die Wissenschaftler in einem gemeinsamen Buch, das nach Angaben des Exzellenzclusters "Religion und Politik" der Universität Münster vom Donnerstag unter dem Titel "Religionsunterricht 4.0" neu erschienen ist. Auf rund 180 Seiten befassen sich die Forscher mit den kulturellen und politischen Argumenten für Religion als Teil der Schulbildung sowie die Weiterentwicklung des Fachs.
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Säkularisierung und Pluralisierung in Deutschland sei auch in Sachen Religionsunterricht derzeit viel in Bewegung, erklären die Wissenschaftler. Das diskutierte Modell einer konfessionsfreien Religionskunde, das in Bremen auf dem Schulplan steht, sehen sie jedoch kritisch. Diese Unterrichtsform könne allein "der tatsächlich gelebten religiösen Vielfalt kaum entsprechen und keinen authentischen Zugang zu Religion liefern", erklären von Scheliha und Wißmann. Auch sorgen sie sich um die Religionsfreiheit. Es bestehe die Gefahr, dass der Staat "die Definitionshoheit in Religionsfragen "an sich ziehe", so die Forscher.
"Religionsunterricht für alle"
Zukunftsweisend ist ihrer Ansicht nach der bekenntnisgebundene Religionsunterricht. Als Beispiel nennen sie den sogenannten konfessionell-kooperativen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen, der auch in Baden-Württemberg und ähnlich in Niedersachsen praktiziert wird. Schülerinnen und Schüler der beiden christlichen Konfessionen nehmen daran teil, evangelische und katholische Lehrkräfte wechseln sich ab. Im Hamburger "Religionsunterricht für alle", der von der evangelischen Kirche ins Leben gerufen wurde, kommen auch Muslime, Juden und Aleviten hinzu, wie es hieß.
"Indem der Staat Religion im Grundgesetz positiv konnotiert, sich aus Wahrheitsfragen jedoch heraushält, eröffnet er den Religionsgemeinschaften sehr weite Spielräume bei der Gestaltung des Religionsunterrichts. Der deutsche Föderalismus ermöglicht zudem die Erprobung unterschiedlichster Modelle", schreiben die beiden Wissenschaftler. Den am Religionsunterricht beteiligten Akteuren, wie etwa die Kirchen, gehe es dabei in der Regel auch nicht um religiöse Missionierung, sondern um einen unabhängigen Beitrag zur Sozialisierung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, betonen sie.