Der Erlass mit der Nummer 16/2754 hat es in sich: Die Gemeinde Cannes an der Côte d'Azur, weltbekannt für ihr Filmfestival und riesige Hotelpaläste, verbietet Ganzkörper-Badeanzüge für Musliminnen am Strand.
Burkinis werden in der städtischen Verordnung zwar nicht explizit genannt. Doch Äußerungen des konservativen Bürgermeisters David Lisnard sind deutlich genug. "Das ist eine Maßnahme unter vielen anderen, um die Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand (in Frankreich) und terroristischen Taten zu schützen", sagte er unlängst der Tageszeitung "Nice-Matin". Der Burkini sei die "Uniform des extremistischen Islamismus", so "Monsieur le Maire".
Aufgeheizte Stimmung
Die Stimmung ist an der Riviera nach dem verheerenden Terroranschlag in nahegelegenen Nizza aufgeheizt: Ein radikalisierter Mann hatte am 14. Juli mit seinem Lastwagen 85 Menschen auf der Strandpromenade in den Tod gerissen. Im November 2015 forderte eine Anschlagserie von Islamisten 130 Menschenleben in Paris.
Vor den Präsidentenwahlen im Mai kommenden Jahres gehen die politischen Parteien zudem auf Konfrontationskurs - und die öffentliche Sicherheit dürfte ein entscheidendes Thema dabei werden.
Lisnards Entscheidung hat zunächst rechtlich Bestand. Ein Gericht in Nizza wies einen Einspruch des Kollektivs gegen Islamfeindlichkeit in Frankreich (CCIF) zurück. Das Verbot aus Cannes zieht unterdessen weitere Kreise. Nach Villeneuve-Loubet bei Nizza verbietet nun auch die kleine Gemeinde Sisco im Norden Korsikas Burkinis; das berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Montag.
Ausschreitungen nach Fotoaufnahmen
Bürgermeister Ange-Pierre Vivoni musste offensichtlich handeln. Am Wochenende war es an einer Meeresbucht seiner Gemeinde zu Ausschreitungen mit fünf Verletzten gekommen, weil - je nach unterschiedlichen Medien-Darstellungen - eine oder mehrere Frauen im Burkini badeten.
Als Anwesende am Strand Fotos machten, flogen Steine. Ein Mann habe einen jungen Mann mit einer Machete angegriffen, berichtete die Tageszeitung "Libération" mit Hinweis auf einen Augenzeugen. Am Ende brannten auch Autos. Der Vorfall führt zu Spannungen auf der Insel, weckt Erinnerungen an rassistische Ausschreitungen von Ende 2015. Damals verwüsteten Gewalttäter in der Hauptstadt Ajaccio einen muslimischen Gebetsraum.
Trennung von Kirche und Staat
Die Debatte um die Ganzkörper-Schwimmanzüge mit integrierter Kopfbedeckung ist zwar neu. Doch das französische Prinzip der Laizität, also der Trennung von Kirche und Staat, ist seit längerem ein heißes Eisen und führte zu Auseinandersetzungen. Seit 2004 gilt in französischen Schulen eine Null-Toleranz-Linie gegen "auffällige religiöse Symbole".
Das heißt unter anderem: Wer Kopftuch trägt, muss draußen bleiben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg billigte bereits mehrfach die Regeln an den Schulen. Das Gericht bestätigte auch das seit fünf Jahren geltende Verbot der Burka in Frankreich.
Eher eingeschränkt dürften die Chancen sein, ein Schwimmbad zu mieten, um Burkinis tragen zu können. Ein Erlebnisbad bei Marseille sagte unlängst einen Burkini-Tag nach massiven Protesten in der Öffentlichkeit ab. Eine Organisation aus Marseille hatte das Bad zunächst komplett gebucht.