Über ein Jahrzehnt war er zudem Vorsitzender der Bischofskonferenz der Inseln des Indischen Ozeans. Aubry wurde Ende 1975 von Papst Paul VI. ernannt und im Mai 1976 geweiht. Mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren hat der Bischof von Saint-Denis de La Reunion dem Papst gemäß dem Kirchenrecht seinen Amtsverzicht angeboten. Franziskus hat Aubry jedoch seither im Amt belassen.
La Reunion gehört als Übersee-Departement zu Frankreich und damit auch zur EU. Auf der kleinen, bis zum 17. Jahrhundert unbewohnten Insel im Indischen Ozean sind durch Sklaverei und Arbeitsmigration alle Weltreligionen auf engstem Raum vereint. Friedliches Zusammenleben prägt den Alltag. Bis 1912 war der Katholizismus auf La Reunion Staats- und Pflichtreligion. Seitdem gilt auch hier Frankreichs laizistische Trennung von Staat und Kirche.
Religiösität und Wundergläubigkeit
Gleichwohl spielt Religion eine allgegenwärtige Rolle auf La Reunion, dem südlichsten Flecken der EU. Das nur 70 Kilometer lange und 50 Kilometer breite Eiland, rund 10.000 Kilometer von Paris entfernt, ist ein bunter Mikrokosmos. Zum Leidwesen des Bischofs übersteigt jedoch nicht nur die Religiosität, sondern auch die Wundergläubigkeit das EU-übliche Maß um ein Vielfaches. Okkulte Praktiken und Phänomene sind weit verbreitet. Wiederholt sandte Aubry umstrittene Gegenstände der Verehrung zur Untersuchung ins Mutterland Frankreich.
"In unserer gemeinsamen Psychologie ist der erste Impuls immer ein religiöser, kein rationaler", sagt Aubry. In seinen Adern fließt nach eigenen Worten französisches, portugiesisches und madagassisches Blut. Auch einen Deutschen zählt er zu seinen Vorfahren aus dem frühen 20. Jahrhundert: einen Kölner Händler namens Leischnig.