Frankreichs Präsident Sarkozy auf der Suche nach Unterstützung

Charme-Offensive

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist von Papst Benedikt XVI. am Freitag in Privataudienz empfangen worden. Die Begegnung ist nach Einschätzung französischer Medien Teil einer Charme-Offensive, um im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2012 die katholische Wählerschaft zurückzugewinnen.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Zwischen den mehrheitlich konservativen Katholiken und dem Staatsoberhaupt hatte es zuletzt eine spürbare Abkühlung gegeben. Am vergangenen Donnerstag besuchte Sarkozy - privat - die Basilika von Vezelay im Burgund. Am Freitag, so ließ er mitteilen, habe er sich den preisgekrönten und überaus erfolgreichen Film "Von Menschen und Göttern" angesehen, der den Mord an Trappistenmönchen in den 90er Jahren in Algerien schildert. Kleine Symbole, um die Katholiken zu umschmeicheln.



Spätestens seit der Räumung illegaler Roma-Lager und der Abschiebung von Hunderten Roma ist das Verhältnis von Kirche und Regierung gespannt. Schon lange vor dem Vergleich von EU-Kommissions-Vizepräsidentin Viviane Reding ("Ich hatte geglaubt, Europa müsse so eine Lage nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal erleben") hatte ein französischer Kirchenmann die gleiche Parallele gezogen.



Erzbischof Robert Le Gall von Toulouse verlas Ende August ein Hirtenschreiben seines Amtsvorgängers Jules-Geraud Saliege von 1942, in dem dieser zum Schutz der Juden aufrief. "Die Roma sind unsere Brüder wie viele andere auch", fügte er hinzu. Le Gall nahm die Wortwahl zwar angesichts der nachfolgenden Entrüstung zurück. Es sei ihm nicht darum gegangen, das nicht vergleichbare Schicksal von Roma und Juden in einen Zusammenhang zu bringen.



Bemühungen um Schadensbegrenzung auf beiden Seiten

In der Sache blieb der Erzbischof - wie die EU-Kommission - aber deutlich: Das Schreiben seines Amtsvorgängers habe er zitiert, um Christen und Menschen guten Willens dazu aufzurufen, die gleiche Haltung von Gastfreundschaft, Respekt und Brüderlichkeit an den Tag zu legen, wie sie sein Vorgänger von den Katholiken gegenüber den Juden gefordert habe.



Der französische Bischofskonferenz-Vorsitzende, Kardinal Andre Vingt-Trois, traf mittlerweile mit Innenminister Brice Hortefeux und mit Sarkozy zusammen. Bemühungen um Schadensbegrenzung auf beiden Seiten. Doch die kirchliche Kritik am Vorgehen gegen die Roma hält an. In der vergangenen Woche demonstrierten kirchliche Organisationen gegen verschärfte Ausländer- und Asylgesetze, die Einwanderungsminister Eric Besson in die Nationalversammlung einbrachte - und die ausdrücklich von einer markigen Rede Sarkozys inspiriert sind.



Dass der Wunsch nach der Begegnung von Benedikt XVI. ausgegangen sei, wie die regierungsnahe Zeitung "Le Figaro" streute, gilt als ausgeschlossen. Das Blatt schrieb, der Papst wolle Sarkozy treffen, weil sich das Kirchenoberhaupt missverstanden fühle. Benedikt XVI. hatte Ende August die Franzosen ermahnt, Menschen in ihrer "legitimen Unterschiedlichkeit" anzunehmen. Dies war in Frankreich als Kritik am Umgang mit den Roma verstanden worden. Der Papst hatte die Maßnahmen indes nicht ausdrücklich erwähnt.



Ziel: Scharfe Kritik relativieren

Diplomatische Kreise in Rom ziehen die "Figaro"-Version in Zweifel: Grundsätzlich bittet der Gast um eine Audienz beim Kirchenoberhaupt. Dass etwa über die päpstliche Nuntiatur indirekt zu einer solchen Anfrage aufgefordert werde, bezeichnete ein diplomatischer Mitarbeiter beim Heiligen Stuhl als "völlig utopisch". Plausibler erscheint daher, dass es Sarkozy darum geht, die scharfe Kritik der französischen Kirche dadurch zu relativieren, dass er einträchtig mit Benedikt XVI. in der Öffentlichkeit erscheint.



Mehrfach, zuletzt beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel, hat Sarkozy gezeigt, dass er versucht, andere Staats- und Regierungschefs als vermeintliche Unterstützer seiner Position zu präsentieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste diese Erfahrung machen, als Frankreichs Präsident vor Journalisten verkündete, sie habe ihm berichtet, auch Deutschland werde Roma-Lager räumen. Berlin dementierte umgehend. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von einem "Missverständnis". Beim Besuch Sarkozys beim Papst wird der Vatikan wird sich bemühen müssen, "Missverständnissen" keinen Raum zu schaffen.