Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron absolviert seinen diplomatischen Parcours wie einen Triumphzug. Gut ein Jahr im Amt, fliegen ihm immer noch die Herzen zu. Sein Europa-Engagement hat dem der Kanzlerin längst den Rang abgelaufen. Einzig US-Präsident Donald Trump ließ den 40-jährigen Jungstar der internationalen Politik zuletzt abblitzen. Zwar empfing er Macron mit riesigem historischem Pomp. In der Sache aber ließ Trump ihn spüren, was er von seinen Avancen in Sachen Multilateralismus hält. Nämlich "America first".
Migration und Bioethik
Am Dienstag dürfte es deutlich freundlicher zugehen: Dann macht Macron seinen Antrittsbesuch im Vatikan. Danach wird von der ersten Garde der Staatschefs nur noch Chinas Xi Jinping übrig sein, den Papst Franziskus noch nicht empfangen hat. Nun begegnen sich die beiden Hoffnungsträger du jour - jene beiden, denen man derzeit am ehesten zutraut, den verfahrenen Karren der Weltpolitik durch Appelle und Reformen aus dem Dreck zu ziehen.
Zu den Gesprächsthemen dürfte neben dem Dauerthema Migration vor allem die Bioethik gehören, die derzeit in Frankreich ganz oben auf der politischen Agenda steht. In mindestens einer Sachfrage fremdelt die Atommacht Frankreichs allerdings mit dem Vatikan: Dieser hat sich zuletzt diplomatisch für eine weltweite und totale Entnuklearisierung stark gemacht.
Liberale Streitpunkte
Gleichwohl stehen die Zeichen zwischen dem Heiligen Stuhl und der einst treuen Tochter Frankreich auf Entspannung. Unter der Ägide des Sozialisten Francois Hollande (2012-2017) wurden Gesetzesprojekte auf den Weg gebracht, die einstige Bastionen bürgerlich-christlicher Werte schleiften und keineswegs nach dem Geschmack des Vatikan waren: Die "Homo-Ehe" wurde eingeführt, embryonale Stammzellforschung bedingt zugelassen und Abtreibungsgesetze liberalisiert.
Macron nun stammt zwar aus einer nichtreligiösen Familie, ließ sich aber mit zwölf Jahren katholisch taufen. Einen Teil seiner Schulausbildung absolvierte er an einer Jesuitenschule. Er hat zuletzt deutlich gemacht, dass er ein neues Kapitel im Verhältnis von Regierung und Kirche aufschlagen will.
"Wir zucken nicht mit den Achseln"
Anfang April ermunterte er die Kirche in einer rund einstündigen Grundsatzrede in Paris, sie müsse weiter Präsenz in den öffentlichen Debatten zeigen. Die von ihr aufgeworfenen Fragen beträfen nicht eine Minderheit, sondern die Gesellschaft als Ganzes.
Ausdrücklich sprach der Präsident die Bioethik und die Flüchtlingspolitik an. Macron plädierte für einen "realistischen Humanismus". Politische Wirklichkeit und christliche Ideale seien nicht immer deckungsgleich. Aber: "Wir zucken nicht mit den Achseln, wenn wir die Einwände der Kirche hören."
Privileg und Recht
Eine Kirche, die sich nicht mit aktuellen Fragen auseinandersetze, verfehle ihren Auftrag, betonte Macron. Und das Gleiche gelte für einen französischen Präsidenten, der sich nicht mit der katholischen Kirche auseinandersetze. "Die Republik", so der Präsident in Richtung der Kirchenvertreter, "erwartet viel von ihnen".
Mit Spannung erwarten Beobachter, ob Macron bei seiner Rom-Reise auch ein ganz spezielles Privileg in Anspruch nehmen wird. Das Oberhaupt des französischen Staates ist seit 1604 geborener Ehrenkanoniker der römischen Lateranbasilika, der Bischofskirche des Papstes. Dieses Privileg ist sogar verbunden mit dem Recht, hoch zu Ross in die Kirche einzureiten. Der Papst hatte dies damals König Heinrich IV. zugestanden – nach seinem Übertritt vom Protestantismus zum Katholizismus und einer hohen Spende für die königliche Abtei an der Basilika.
Macrons Vorgänger
Seit 1957 haben drei Staatsoberhäupter – Georges Pompidou, Francois Mitterrand und Francois Hollande – auf die Annahme des Ehrentitels verzichtet. Nicolas Sarkozy (2007-2012) hingegen reiste dafür nach Rom. Macron hat den Titel kurz nach seiner Wahl im Mai 2017 angenommen; die Inbesitznahme steht bislang noch aus. Ein Einritt in die Papstbasilika wäre das wohl bislang bunteste Bild dieser bunten Präsidentschaft. Wahrscheinlich geht es aber dann doch eine Nummer kleiner.