KNA: Pfarrer Meurer, «Interview ja, aber nicht gerne» - so haben Sie spontan zugesagt. Warum reden Sie nur ungern über den Eucharistischen Kongress?
Pfarrer Meurer: Nein, ich spreche sehr gern darüber. Im Moment ist nur so viel los. Eben kam eine türkische Mutter, deren Sohn drogenabhängig ist - und als Sie dann anriefen, dachte ich «Oh, das auch noch.» Aber geht schon.
KNA: In Ihrer Pfarrei mitten im sozialen Brennpunkt ist doch immer eine Menge los: viele Arbeitslose, überall Armut, prügelnde Eltern, Kleinkriminelle. Hat der Kongress auch solche Menschen im Blick?
Meurer: Ja, sehr gut sogar. Ich mache da bei einer Veranstaltung mit, bei der es um die Bibel und den Dienst am Nächsten geht: Zwei Brote und fünf Fische machen 5.000 Menschen satt, das soll erst mal einer bringen.
KNA: Ist aber lange her?
Meurer: Auch wir geben nachher wieder Lebensmittel an rund 500 Leute aus. Wir versorgen die Menschen, die es mit ihrem bisschen Geld nicht selbst schaffen. Und wir tun das, obwohl es umstritten ist.
KNA: Warum umstritten?
Meurer: Weil es besser wäre, wenn jeder mit seinem Einkommen klarkäme. Aber solange die Leute uns bitten weiterzumachen, machen wir es. Auch mit einer Aktion, die sich «Der Sack» nennt. Wir kriegen jeden Monat 70 Säcke mit haltbaren Sachen wie Konserven und Nudeln. Und wenn eine Mutter mit zwei Kindern nichts mehr zu essen hat, bekommt sie einen Sack und vielleicht noch fünf oder zehn Euro für Brot.
KNA: Erklären Sie den Leuten im Problemviertel auch, was Eucharistie bedeutet?
Meurer: Also? Bei der Vorbereitung auf die Erstkommunion stellen wir eine Schatzkiste vor den Altar. Und ich sage: «In der Kiste ist das Wertvollste, was es auf der Welt gibt.» Die ersten haben dann schon Dollarzeichen in den Augen, andere ein Auto, die Frommen die Bibel. Dann geht die Kiste auf, und ein echtes Kind springt raus. Jedes Kind ist mehr wert als alles Gold der Welt. Wenn wir das nicht rüberbringen können, haben wir Erwachsenen versagt. Und die Kinder versagen, wenn sie nach der Kommunion noch schimpfen: «Du stinkst, du spielst nicht mit.» Kommunion heißt Gemeinschaft, und deshalb wird bei uns keiner gemobbt. Ganz einfach.
KNA: Und das klappt?
Meurer: Nein, natürlich nicht immer. Manche geben sich zwar als Superman oder Supergirl, aber sind es nicht. Und dann brauchen sie wieder Hilfe. Die bekommen sie auch. Ist doch klar.
KNA: Bei dem Kongress geht es vor allem um Frömmigkeit, Glaubenszeugnisse, Theologie. Mal ganz einfach gefragt, was passiert bei der Wandlung?
Meurer: Gebetbuch, Seite 799 «Eucharistische Andacht» - da steht: Wie dieses Brot werden auch wir verwandelt, wenn wir uns Gott ganz überlassen. Und der Heilige Geist macht uns fähig zur Gemeinschaft, okay? Theologisch sehr glaubhaft.
KNA: Und die Lehre von der leibhaftigen Gegenwart Gottes in dem gewandelten Brot und Wein??
Meurer: Ja, natürlich, kein Problem. Christus ist in uns zugegen, um uns diese Kraft zu geben. Mutter Teresa hat gesagt, ohne die Eucharistie könnte sie keinen einzigen Tag ihren Dienst an den Ärmsten machen. Das ist die Klammer. Für uns Christen stehen eben die Kleinen im Mittelpunkt. Deswegen wählt Jesus dieses winzige Brot, das Normalste vom Normalen, um seine Gegenwart deutlich zu machen.
KNA: Wann wird der Eucharistische Kongress ein Erfolg?
Meurer: Wenn die Leute Spaß und Lust darauf bekommen, und ich persönlich?
KNA: Moment bitte. Spaß und Lust wird meist mit dem Kölner Karneval in Verbindung gebracht.
Meurer: Seien Sie da mal nicht so kritisch! Der Karneval liegt ja extra vor der Fastenzeit. In der ist Verzicht gefordert. Und die Fastenzeit bietet die Chance, Abstand zu uns selbst zu nehmen. Also ist der Karneval gar nicht so weit davon entfernt, weil er die Zeit vor dem Aschermittwoch ist.
KNA: Nochmal zurück zum Erfolg des Kongresses.
Meurer: Ich sehe das sehr positiv. Ich bin überzeugt, dass die Leute Freude daran finden. Sie wollen etwas gemeinsam auf die Beine stellen, auch etwas Rituelles machen. Und viele wollen teilnehmen an etwas, das ins Zentrum des Lebens zielt.
KNA: Gehen auch Leute aus Ihrem Viertel hin?
Meurer: Aus unserem Viertel ist das immer ein Problem. Für viele hier ist die Lebenswelt sehr begrenzt. Die hört oft schon hinter der Eisenbahnunterführung auf. Ehrlich gesagt, unsere Kirche ist sonntags ja nicht so voll, weil all die einfachen Menschen zu Hunderten kämen. Einige kommen auch von außerhalb.
KNA: Weil Sie St. Theodor zu einer Art Vorzeige-Pfarrei gemacht haben.
Meurer: Nein, nicht ich. Das ist wie bei der wunderbaren Brotvermehrung. Wenn einer alles gibt, was er hat, und wenn man teilt, dann geht alles. Teilen macht wirklich froh, das ist das Geheimnis der Eucharistie.
KNA: Sie gelten hier und da als «Ghetto-Priester» oder Don Camillo von Köln. Wie gut ist?
Meurer: Alles Quatsch! Das ist alles der heutigen Medienlandschaft geschuldet.
KNA: Die bösen Medien?
Meurer: Okay, ich habe ja gar nichts gegen diese Schlagworte, aber auf «Ghetto-Priester» muss man erst mal kommen. Der Witz ist: Unser Viertel ist inzwischen bei Familien sehr beliebt, weil es eben so schön ist. Wer jetzt Immobilien kaufen will, sollte es bei uns tun.
KNA: Wie gut ist Ihr Draht zu Kardinal Meisner?
Meurer: Was heißt Draht? Der Kardinal ist durchaus auf unserer Seite. Und er sagt, Liturgie ohne Diakonie ist Götzendienst. Auf eine solche Idee wäre ich gar nicht gekommen.
KNA: Sie ziehen also gemeinsam an einem Strang?
Meurer: Ja, hören Sie mal: Ich bin so katholisch - ich kann mir gar nicht vorstellen, wer noch katholischer sein soll. Aber die Kirche wird immer auch Verschiedenes machen. Ich verlange doch nicht vom Kardinal, dass er jeden Tag Lebensmittel für die Armen ausgibt! Das wäre doch Quatsch, er hat einen ganz anderen Job. Aber wir hier, wir müssen das machen.
Das Gespräch führte Thomas Winkel.
Franz Meurer arbeitet im sozialen Brennpunkt im Osten Kölns und ist alternativer Ehrenbürger der Domstadt.