Franziskaner harren mit Misereor-Unterstützung in Aleppo aus

Helfer in der zerstörten Stadt

Die Stadt Aleppo steht für die Aussichtslosigkeit im Syrienkonflikt. Wer die Stadt verlassen kann, tut es. Aus Prinzip vor Ort bleiben jedoch die Franziskaner - unterstützt vom Hilfswerk Misereor. Länderreferentin Astrid Meyer erklärt, warum.

Trümmer in Aleppo / © Zouhir Al Shimale (dpa)
Trümmer in Aleppo / © Zouhir Al Shimale ( dpa )

domradio.de: Die Nachrichten sprechen von einem möglichen Giftgas-Angriff in Aleppo. Die wichtigste Frage vorab: Was wissen Sie über die aktuelle Situation der Menschen in der Stadt?

Astrid Meyer (Länderreferentin für Syrien beim katholischen Hilfswerk Misereor): Die aktuelle Situation ist unvorstellbar schwierig. Es fehlt an allem. Es fehlt vor allem an Lebensmitteln. Die Vorräte gehen zur Neige. Die Versorgung mit Trinkwasser ist ein großes Problem. Das war es vorher schon, ist aber jetzt durch den Belagerungsring noch schlimmer geworden. Die Medikamentenvorräte gehen zu Ende, gleichzeitig steigt die Zahl der Verletzten und Entkräfteten. Es gibt zudem viele Menschen mit chronischen Erkrankungen. Die Situation ist derzeit einfach fürchterlich. Es fehlen die Worte, um das Ausmaß auszudrücken und erfassen zu können.

domradio.de: Wer kann, der verlässt die Stadt - wer aber bleibt, ist der Franziskaner-Orden. Warum bleiben die da?

Meyer: Die Franziskaner bleiben aus Überzeugung. Sie sind schon seit vielen Jahrzehnten missionarisch tätig, engagieren sich aber vor allem auf sozialem Gebiet mit helfenden Händen. Wir von Misereor unterstützen auch die Zentren der Franziskaner vor Ort. Das ist zum einen ein Krankenhaus und das sind zum anderen Sozialzentren, die sie für alle Menschen, die Bedarf haben, egal oder Christen oder Muslime, öffnen. Mit unserer Unterstützung konnten Brunnen errichtet werden und die Franziskaner können somit Trinkwasser zur Verfügung stellen. Zudem verteilen sie Essenspakete und Medikamente an Bedürftige. Als weiterer Aspekt stellen sich die Franziskaner auch für Gespräche und seelsorgerische Angebote zur Verfügung, denn der psychische Druck angesichts der fortgesetzten Kämpfe mit unvermittelter Härte erzeugt eine unvorstellbare Belastung für diejenigen, die dort noch ausharren.

domradio.de: Sie haben die Hilfsleistungen nach Aleppo angesprochen. Gestern kam die Meldung, dass die Hauptverkehrsstraße in die Stadt zerstört wurde und Aleppo quasi umstellt sei. Wie kommen die Hilfslieferungen denn konkret bei den Menschen an?

Meyer: Die Hilfslieferungen kommen dadurch an, dass es Brüdern des Franziskanerordens und den Mitarbeitern in den Zentren gelingt, verschiedene Vereinbarungen mit den rivalisierenden Kriegsparteien treffen, um die Versorgung mit Gütern sicherzustellen. An diese bestehenden Kontakte knüpfen sie an, da darf man sich keine Illusionen machen. Jetzt hat sich die Situation diesbezüglich allerdings noch einmal zugespitzt. Die Franziskaner stehen dafür, dass sie an erster Stelle die Versorgung der Bedürftigen sicherstellen und dadurch auch dafür sorgen, dass ein kleiner Versorgungskanal, dem allerdings auch der Zusammenbruch droht, aufrechterhalten bleibt. Es kommen also immer wieder Hilfsgüter an - wenn auch nicht immer auf dem gradlinigsten und einfachsten Weg. Alle Zentren einschließlich des Krankenhauses, die wir unterstützen, sind weiter tätig und können ihre wichtige Arbeit fortsetzen.

domradio.de: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Stadt Aleppo? Gibt es in absehbarer Zeit Frieden?

Meyer: Auf der politischen Bühne ist es durch die verschiedenen Stellvertreterkriege, die sich da tummeln, festgefahren. Unsere Hoffnung und Forderung bleibt, dass es eine 48-stündige Waffenruhe gibt, damit eine Grundversorgung mit den allernötigsten Mitteln wiederhergestellt werden kann. Sollte das möglich sein, könnte sich wieder ein Weg zurück an den Verhandlungstisch öffnen. Die Verhandlungsbemühungen, die seinerzeit in Wien ja auf einem guten Weg waren, könnten dann wieder aufgenommen werden. Das ist unsere Hoffnung. Wir sind auch davon überzeugt, dass es enorm wichtig ist, den Schwerpunkt auf zivile Möglichkeiten jenseits militärischer Lösungen zu setzen, weil die längst noch nicht ausgeschöpft sind.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR