Vorgesehen war die Visite schon seit längerem. Dass Papst Franziskus erst drei Jahre nach seinem Amtsantritt die Große Synagoge Roms besuche, habe rein terminliche Gründe, versichert man im Vatikan. Die Beziehungen des Vatikan und der katholischen Kirche insgesamt zum Judentum sind gut, sie gelten als Erfolgsgeschichte, von Verstimmungen ist derzeit keine Rede. Und so begibt Franziskus sich am kommenden Sonntag wie bereits seine Vorgänger Johannes Paul II. vor 30 Jahren, und Benedikt XVI. vor exakt sechs Jahren zu einem Freundschaftstreffen in das wuchtige Gebetshaus mit der herausstechenden Kuppel am linken Tiberufer.
Synagogenbesuch von Johannes Paul II. war eine Sensation
Der erste Synagogenbesuch von Johannes Paul II. am 13. April 1986 war eine Sensation, ein historisches Ereignis, ein Höhepunkt in seinem an Premieren reichen Pontifikat. Johannes Paul II. besiegelte mit dieser bewegenden Geste den Richtungswechsel und Neuanfang des Konzils. Der Papst aus Polen, der seit Kindheitstagen Kontakte mit jüdischen Freunden pflegte, brach das Eis. Nach Jahrhunderten von Dissonanz, Kontroversen und Verfolgungen hatte die Kirche in der Konzilserklärung "Nostra Aetate" von 1965 ihr gemeinsames Erbe mit dem Judentum hervorgehoben. Sie strich alle antijüdischen Positionen aus Lehre und Liturgie, zog den pauschalen Vorwurf des "Gottesmordes" zurück und leitete den interreligiösen Dialog ein. Ausdrücklich beklagte sie jeden Antisemitismus und bezeichnete die Millionen Opfer des Holocaust als ewige Mahnung für die Menschheit.
Regelmäßiger Austausch
Seither hat sich im katholisch-jüdischen Verhältnis viel getan: Regelmäßige Dialogrunden, Verlautbarungen, Austausch und gemeinsame Initiativen. 1994 nahmen der Vatikan und Israel volle diplomatische Beziehungen auf, was Rom bis dahin aufgrund der ungeklärten politischen Situation in der Region abgelehnt hatte. 1998 veröffentlichte der Vatikan die vielbeachtete Erklärung "Wir erinnern: Eine Reflexion über die Schoah". Darin verurteilte er jede Form von Antisemitismus, beklagte Versäumnisse auch von Katholiken, verwies aber auch auf die Hilfe vieler Christen darunter namentlich Papst Pius XII. für jüdische Mitbürger.
Benedikt XVI. besuchte Synagoge 2010
Der römische Synagogenbesuch von Benedikt XVI. am 17. Januar 2010 stand in der Kontinuität des Dialogs und der Neuordnung der katholisch-jüdischen Beziehungen. Im Vorfeld sorgten der Streit um die Karfreitagsfürbitte und die Zuerkennung des "heroischen Tugendgrades" für Pius XII. für Missstimmungen. Dennoch wurde der Besuch zu einem neuen Brückenschlag über den Tiber, zu einer Festigung von Dialog und Freundschaft.
Treffen für Franziskus eine Selbstverständlichkeit
Für Franziskus ist das Treffen in der 111 Jahre alten Hauptsynagoge Roms beinahe eine Selbstverständlichkeit. Schon seine Biografie belegt enge Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Buenos Aires, mit regelmäßigen Besuchen und festen Freundschaften. Mit dem argentinischen Rabbiner Abraham Skorka gab er ein gemeinsames Interviewbuch heraus. Und bei der Jerusalemreise 2014 lud Franziskus ihn in sein unmittelbares Gefolge ein. In diesem Kontext dürfte der Synagogenbesuch ein freundliches Fest mit ernsten Erinnerungen und entschiedenen Zukunftsperspektiven sein.
Wie Johannes Paul II. benutzt Franziskus den Begriff der "älteren Brüder", während Benedikt XVI. die Juden lieber als "Väter im Glauben" bezeichnete. Franziskus dürfte die jüdischen Wurzeln des Christentums unterstreichen. Er wird deutlich machen, dass beide Religionen unwiderruflich aufeinander angewiesen seien. Sicher wird er jede Form von Antisemitismus verurteilen und als ewige Mahnung die sechs Millionen Opfer der Schoah hervorheben. Dabei wird er wohl auch an die Deportationen von 2.091 römischen Gemeindemitgliedern durch die SS im Jahr 1943 erinnern, von denen nur wenige überlebten.
Spannung vor Franziskus` Worten zu Israel
Gespannt darf man auf die Einlassungen des Papstes zum Land Israel sein, dessen religiöse Dimension Vatikan und Juden unterschiedlich beurteilen. Ganz sicher aber wird Franziskus seinen Synagogenbesuch zu einem Appell für Frieden im Heiligen Land nutzen. Und mit dieser dritten Visite des römischen Bischofs bei der jüdischen Gemeinde seiner Stadt dürften päpstliche Synagogenbesuche der Redensart nach nun zur festen Tradition werden.
Roms Oberrabiner freut sich auf Besuch
Vor dem Besuch von Papst Franziskus in der Großen Synagoge in Rom hat Oberrabbiner Riccardo Di Segni das jüdisch-christliche Verhältnis positiv bewertet. Die Visite sei "ein sehr positives Zeichen der Bestätigung einer Freundschaft". Im Vordergrund stünden die Gemeinsamkeiten und guten Beziehungen, "nicht etwaige Unstimmigkeiten", sagte der römische Rabbiner der "Jüdischen Allgemeinen". Ausdrücklich lobte Di Segni das im Dezember vorgelegte neue Vatikan-Dokument zu den Beziehungen zum Judentum, in dem die katholische Kirche auf Judenmission verzichtet.
Der Papstbesuch zeige, dass Religionen in Frieden nebeneinander existieren könnten. Angesichts von Hass und Gewalt, die mit Religion gerechtfertigt würden, gehe von dem Besuch eine gegenläufige Botschaft aus, sagte der Rabbiner. Er ergänzte: "Wir freuen uns auf ihn. Wir sind eine große Gemeinde mit einer langen und wechselvollen Geschichte und mit vielen Institutionen - sie alle werden da sein."
Weitere Gäste eingeladen
Den ersten Besuch eines Papstes - von Johannes Paul II. - in der Synagoge 1986 bezeichnete Di Segni als "revolutionären Schritt". Benedikt XVI. habe diese Linie bestätigt, und der Besuch von Franziskus werde stark von dessen Vorliebe für das direkten Gespräch geprägt sein: "Er will einfach Leute aus der Gemeinde treffen - Sozialarbeiter, Vertreter von Gemeindeorganisationen, Schoa-Überlebende."
Die Jüdische Gemeinde habe anlässlich des Besuchs italienische und ausländische Rabbiner sowie den Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz eingeladen, sagte Di Segni in Radio Vatikan. Kurienkardinal Kurt Koch, der die vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum leitet, wird den Papst begleiten.