Fliegender Wechsel in einem Zentrum der katholischen Familientheologie: Mit einem am Dienstag veröffentlichten Erlass ersetzte Papst Franziskus das bisherige "Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie" durch ein "Päpstliches Theologisches Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften". Hinter dem scheinbar banalen Akt steht der Versuch des Papstes, die katholische Lehre auf ein neues Gleis zu schieben, ohne einen Bruch mit seinen Vorgängern zu vollziehen - und mit seinen Kritikern.
Die bisherige, bei der Päpstlichen Lateranuniversität angesiedelte Institut hatte Johannes Paul II. (1978-2005) im Nachgang zu einer Familiensynode und seinem Lehrschreiben "Familiaris consortio" 1981 gegründet; der gleichen Dynamik folgt jetzt Franziskus mit seinem Relaunch: Nachdem 2014 und 2015 zwei Bischofssynoden zu Ehe und Familie im Vatikan tagten und 2016 das seither stark diskutierte Schreiben "Amoris laetitia" erschien, soll die alt-neue Wissenschaftseinrichtung nun die synodalen Erkenntnisse in einen theologischen Diskurs einbringen.
Kontinuität gefragt
Franziskus betont die Kontinuität: Mit den lateinischen Anfangsworten des Erlasses "Summa familiae cura" würdigt er seinen Vorgänger Johannes Paul II. für dessen "größte Sorge um die Familie". Jedoch machten die jüngsten Bischofssynoden mehr als drei Jahrzehnte später die neuen komplexen Herausforderungen für Eheleute und Familien bewusst. Der kulturelle Wandel rufe nach einem "analytischen und breitgefächerten Ansatz". In Seelsorge und Glaubensverkündigung, so stellt der Papst fest, könne die Kirche sich nicht auf "Formen und Modelle der Vergangenheit" beschränken.
Schon im vergangenen Oktober, als Franziskus Mitarbeitern des Instituts bei einem Empfang sagte, ihre Einrichtung müsse "die nötige Öffnung der Intelligenz des Glaubens für die seelsorgerische Aufgabe des Nachfolgers Petri unterstützen", schien das eine Einladung zu Richtungskorrekturen zu sein. Im Umfeld der beiden Familiensynoden hatten sich Vertreter des Instituts teils ablehnend zu möglichen Neuerungen in der Morallehre hören lassen. Im August 2016 ernannte der Papst Erzbischof Vincenzo Paglia, bis dahin Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, zum Großkanzler des Instituts.
Dieser wendet sich gegen die Deutung, es gehe um einen Komplettaustausch. Er selbst, Institutspräsident Pierangelo Sequeri und alle anderen Mitarbeiter blieben auf ihren Posten, betonte Paglia am Dienstag vor Journalisten. Auf die Frage, ob die moraltheologische Denkfabrik in der Vergangenheit vielleicht ein bisschen zu konservativ gewesen sei, lächelt Paglia: Die Intention des Papstes sei klar, man müsse der Forderung der Zeit nachkommen und den Familien helfen, auch jenen in schwierigen Situationen, "niemand ausgeschlossen".
"Amoris laetitia" weiterdrehen
Nach Darstellung von Paglia und Sequeri soll das, was "Amoris laetitia" eher als Appell formuliert hat, auf der Höhe des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses durchgearbeitet werden; Ziel ist so auch eine höhere argumentative Durchschlagskraft. Mit dem Verwaltungsakt der formellen Neugründung will Franziskus laut Paglia unterstreichen, dass er mit vollem Nachdruck hinter dieser theologischen Reflexion steht.
Eine Leitlinie dafür bildet neben "Amoris laetitia" das Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) über die Kirche in der Welt von heute, "Gaudium et spes". Dementsprechend kündigt Paglia einen allseits offenen Dialog an, auch mit Wissenschaftlern, die nicht katholisch sind. Wenn die Kirche nach dem Willen des Papstes aus ihrem Binnenraum hinausgehen soll, gilt das, so der Großkanzler, auch für das theologische Institut: "Menschlichen Familien ist nichts fremd."
Das Themenspektrum soll sich laut Sequeri keinesfalls auf Fortpflanzung und Verhütung beschränken: Kernthemen werden auch die Kluft zwischen den Generationen und Fragen zum Verhältnis von Wirtschaft und Familie sein; neben der Rolle von Vater- und Muttersein stehen ebenso die Perspektiven von Ökologie und Nachhaltigkeit auf dem Programm.
Seine Arbeit wird das Institut außer in Rom auch an einem Dutzend Außenstellen weltweit entfalten, indem es kirchliche Mitarbeiter bildet. Anfragen, weitere Institutsstandorte zu gründen - etwa in Nigeria oder Mosambik - lägen bereits vor, hieß es.