Franziskus reist am Montag nach Chile und Peru

Der Papst an den Rändern Lateinamerikas

Reich an Chancen, aber nicht gerade arm an Problemen: In Chile und Peru erwarten den Papst zwei aufstrebende Schwellenländer seines Heimatkontinenten Lateinamerika. Franziskus hat Anlass genug, ihnen ein paar Ratschläge mitzugeben.

Vorbereitungen für den Papstbesuch in Peru / © Melina Mejia (dpa)
Vorbereitungen für den Papstbesuch in Peru / © Melina Mejia ( dpa )

DOMRADIO.DE:  Warum hat der Papst sich ausgerechnet Chile und Peru als Reiseziele ausgesucht? 

Margit Wichelmann (Länderreferentin für Chile beim katholischen Lateinamerikahilfswerk Adveniat): Mit Chile und Peru besucht der Papst zwei Länder, die vor sehr großen Herausforderungen stehen, in denen vor allem die Kirche vor großen Herausforderungen steht. Ich kann da vor allem für Chile sprechen. Dort hat die Kirche längst nicht mehr den Stellenwert früherer Zeiten und sieht sich sehr vielen unterschiedlichen Problemen ausgesetzt. Der Papst lenkt mit seinem Besuch in beiden Ländern die Aufmerksamkeit vor allem auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen. In Chile stehen da die Indigene Bevölkerungsgruppe und die Migranten im Mittelpunkt. Der Besuch soll Kirche und Gesellschaft dazu aufrufen, die Menschen am Rande der Gesellschaft wieder mehr ins Zentrum zu stellen.

DOMRADIO.DE: Chile ist ein Land, in dem gerade der konservative Unternehmer Sebastián Piñera die Wahlen gewonnen hat. Im Herbst wurden dort Abtreibungen teilweise legalisiert, seit 2015 sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt. Das hört sich nicht nach Heimspiel für den Papst an – wie wichtig ist die Stimme der Kirche in Chile noch?

Wichelmann: Sie haben recht, die Stimme der Kirche hat längst nicht mehr den Stellenwert wie noch vor einigen Jahrzehnten. Die Kirche hat stark an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz verloren. Man weiß, dass Anfang des neuen Jahrtausends ungefähr 90 Prozent der Bevölkerung der Kirche noch großes Vertrauen ausgesprochen haben. Im Moment liegt man da bei unter 40 Prozent. Das hat viele Ursachen. Zum einen gibt es insgesamt in Chile die Tendenz, staatlichen und öffentlichen Institutionen immer mehr zu misstrauen. Der Kirche haben die aufgedeckten Missbrauchsfälle der vergangenen Jahre sehr geschadet. Das Vertrauen in die Kirche wurde stark erschüttert. Das ist nicht der einzige Grund. Die Kirche wird außerdem nicht mehr als volksnah verstanden oder erlebt. Außerdem wirkt sie auch nicht auf die heutige Zeit vorbereitet, was Familie und so weiter angeht. Deswegen ist es eine besondere Herausforderung – und dazu soll der Papstbesuch dienen – dort Nähe und Verständnis aufzubauen und gemeinsam dem Zusammenleben zwischen Kirche und Staat ein neues Fundament zu geben. Eine große Herausforderung in diesem Kontext.

DOMRADIO.DE: Die Reise nach Chile von Papst Franziskus steht unter dem biblischen Leitwort "Meinen Frieden gebe ich euch". Was will er den Chilenen damit sagen?

Wichelmann: Das Leitwort stammt aus dem Johannes-Evangelium, was Jesus beim letzten Abendmahl gesagt hat. Da geht es eben nicht um einen einfachen Frieden, bei dem man Probleme unter den Tisch kehrt, sondern es geht Franziskus um einen Appell, bei dem man Probleme im Land offen angeht, die Herzen zu öffnen, über den Tellerrand des eigenen Wohlbefindens hinaus zu schauen und auch die Belange derjenigen wahrzunehmen, die ausgeschlossen sind, hinter denen keine große Lobby steht. So soll es ermöglicht werden, die Unterschiedlichkeiten, die in Chile existieren zwischen Arm und Reich, die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen als Quelle der Bereicherung zu sehen und nicht als Benachteiligung. Das ist gerade in der aktuellen Situation von Chile eine sehr starke Botschaft.

DOMRADIO.DE: Am kommenden Mittwoch wird er einen Gottesdienst im Süden des Landes feiern, in einer Region, in der die Mapuche leben. Das ist ein indigenes Volk, das seit Jahrhunderten um seine Stammesgebiete kämpft und immer wieder mit Großunternehmen der Holz- und Landwirtschaft in Konflikt gerät. Hat sein Besuch an diesem Punkt auch eine politische Botschaft?

Wichelmann: Der Papst versteht sich nicht als Politiker, sondern eher als Brückenbauer. Er setzt sich aber immer für diejenigen ein, die Not leiden und unter Ungerechtigkeiten leben müssen. Dass er deswegen für Chile und Peru die indigene Bevölkerung in den Mittelpunkt seines Besuches gestellt hat, zeigt dass er eine große Sorge für die Menschen hat und sich an der Seite der Menschen sieht, die Angst haben, um ihre Kultur, ihre Lebensgrundlagen, ihr Land, ihre Spiritualität. Er möchte diesen Menschen den Rücken stärken.

DOMRADIO.DE: Was sind Ihre Erwartungen und die Ihrer kirchlichen Partner vor Ort an die Reise?

Wichelmann: Ich denke, dass die Erwartung, sowohl hier als auch drüben bei unseren Projektpartnern die ist, dass es dem Papst gelingt, Worte und Gesten zu finden, die wieder Türen und Wege ermöglichen. Wege des Verständnisses, des Engagements für einander, das Abrücken von festgefahrenen Meinungen, einfach erste Schritte zu gehen: das Treffen mit den Vertretern der Mapuche oder mit Insassen von einem Gefängnis in Santiago, dass die in den Mittelpunkt gestellt werden. Das können immer nur erste wichtige Signale sein, aber die große Herausforderung wird anschließend sein auf die Gesten und den Appell seitens der Kirche und der Gesellschaft auch Taten folgen zu lassen. Es gibt in Chile viele wunderbare Beispiele des Engagements für die Migranten. Aber das sind alles einzelne Aktivitäten, einzelnes Engagement. Es ist zu hoffen, dass diese Projekte auch Rückenstärkung erfahren durch den Papst und noch viel mehr Nachahmer findet.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt. 


Papst Franziskus im Vatikan / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus im Vatikan / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
DR