Wie die Staatsleistungen an die Kirchen entstanden sind

Französische Revolution besiegelte das Ende der Reichskirche

Das alte Reich bot ein trauriges Bild. Seine verzopften politischen Strukturen hatten es zwar bis zuletzt nach innen gesichert. Doch dem Sturm der französischen Revolutionstruppen hatten sie nichts mehr entgegenzusetzen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kirche und Geld / © Harald Oppitz (KNA)
Kirche und Geld / © Harald Oppitz ( KNA )

Die vermeintliche Trostlosigkeit des "alten Europa" und der Windhauch des Neuen ließen den rheinischen Revolutionär und Publizisten Joseph Görres 1797 spotten: Die Reichsdeputation - ein "Arbeitsausschuss" aus Ständevertretern des Reichstages - solle sich doch künftig mit dem Abschluss ihres eigenen ewigen Friedens beschäftigen.

Und es war in der Tat ein Akt der Selbstauflösung, den der seit August 1802 tagende Ausschuss in Regensburg erarbeitete: Am 25. Februar 1803 beschloss der Reichstag den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss (RDH), der das fast 1.000 Jahre alte Gebilde der Reichskirche mit einem Federstrich auf den Komposthaufen der Geschichte warf.

Kirchengüter als Objekt der Gier

Die "Säkularisation", die Verstaatlichung der Kirchengüter, war eine der größten Vermögensumschichtungen der deutschen Geschichte - und ein ziemlich unanständiges Geschäft: Nicht zuletzt jene Territorien, die durch Separatfrieden und -verträge mit Frankreich schon vorab aus der Solidarität des Reiches ausgeschert waren, sicherten sich durch einen unwürdigen Wettlauf von Schmeichelei und Mauschelei mit Frankreich und Russland eine Anwartschaft auf großzügige rechtsrheinische "Entschädigung" für die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich.

Objekt der Gier: die Kirchengüter. Mit ihrer Enteignung wurde auf dem rechten Rheinufer nachvollzogen, was Frankreich linksrheinisch bereits vorexerziert hatte. Einzig Österreich, der Kaiser, zögerte noch, wo andere sich längst auf das Rupfen ihrer fetten Beute vorbereiteten - wusste er doch, dass er mit den geistlichen Territorien seinen wichtigsten verbliebenen politischen Stützpfeiler verlor. Die Reichsverfassung verkam damit endgültig zum Hohlkörper; dessen baldiger Kollaps war zwangsläufig.

Mit Kurköln und Kurtrier wurden zwei geistliche Kurfürstentümer, dazu 19 Fürstbistümer und 44 Reichsabteien aufgehoben; 46 der einst 52 freien Reichsstädte wurden den Territorien zugeschlagen, die sie umgaben. Insgesamt rund 10.000 Quadratkilometer geistliches Staatsgebiet mit 3.161.776 Untertanen wechselten ihre Herrschaft.

Zudem ermächtigte Artikel 35 dieses letzten großen Reichsgesetzes die weltlichen Landesherren, über das Eigentum aller Stifte, Abteien und Klöster auf ihrem Gebiet frei zu verfügen. Das war nicht weniger als ein Akt illegaler völker- und staatsrechtlicher Annexion.

Gehälter für Bischöfe und Domkapitulare

Immerhin: Für die Aneignung auch jenes Vermögens, das unmittelbar kirchlichen Zwecken diente, mussten die Landesherren künftig für eine feste Ausstattung der Domkirchen, für Pensionen der aufgehobenen Geistlichkeit und für die Pflege von Schulwesen und Wohlfahrt aufkommen. Diese finanziellen Verpflichtungen bestehen zum Teil bis heute als Staatsleistungen von Ländern und Gemeinden an die Kirche weiter; etwa im Fall der Gehälter für Bischöfe und Domkapitulare.

Die "Säkularisierten", namentlich Tausende Ordensleute, hatten ihre Klöster und Stifte meist unverzüglich zu verlassen. Trostlos gering war oft die Zahl der Mönche, die aus ihren Mauern auszogen. Hatte Görres in seinem fingierten Testament des Deutschen Reichs 1797 noch zynisch vermerkt: "Alle Nonnen unseres Gebietes vermachen wir unseren Mönchen und hoffen, dass beide Teile sich wohl dabei befinden werden", so sah die Wirklichkeit anders aus.

Man wird nicht so pauschal über die Qualität des religiösen Lebens in den Klöstern des ausgehenden 18. Jahrhunderts befinden können, wie dies die Revolutionäre und Profiteure der Säkularisation taten.

Immerhin ging die katholische Aufklärung vor allem von den Klöstern aus. Doch sei es in geistiger Blüte oder Verfall: Die Klosterinsassen verloren Lebensinhalt, Heimat und oft auch ihre materielle Lebensgrundlage. Die Abfindungen waren mager; regelrechte Pensionen bezahlten die Fürstenhäuser selten oder säumig.

Dafür wurden in großem Stil Kunstgegenstände und liturgische Geräte verkauft, wertvolle Bibliotheken gefleddert und auf Pferdekarren in Wind und Wetter abtransportiert, Kirchen auf Abbruch feilgeboten, dem Verfall preisgegeben oder als Pferdeställe oder Truppenquartiere missbraucht. In viele Klosterkomplexe zogen Fabriken ein. Bei alledem hielt sich der erhoffte Sanierungseffekt für die "Fürsten-Treuhand" in Grenzen. Überangebot lässt die Preise purzeln. Die beste Lösung war da noch der Erhalt der Klosterkirchen als Pfarrkirchen.

Adel verlor Interesse am geistlichen Stand

Gerade für strukturschwache Regionen wirkte sich die Säkularisation oft katastrophal aus. Die Klöster fielen als häufig einziger Arbeitgeber und Bildungsträger ersatzlos aus; 18 katholische Universitäten verschwanden. Allerdings begannen nun auch eine grundlegende Neubesinnung auf die eigentlichen geistlichen Aufgaben und eine ganz neue soziale Durchlässigkeit des höheren Klerus. Der Adel verlor das Interesse am geistlichen Stand - hatte er doch die Anwartschaft auf 720 Domherrenpfründen eingebüßt, die bis dahin zur Versorgung nachgeborener Familienmitglieder oft regelrecht vererbt worden waren.

Der Reichsdeputationshauptschluss legte mit seiner Flurbereinigung die Grundlage des modernen deutschen Föderalismus, indem er mittelgroße, politisch eigenständige Staaten schuf. Die Beseitigung der geistlichen Territorialherrschaften begründete zudem das moderne Verhältnis von Staat und Kirche mit dem "Staat als Gebietsmacht und der Kirche als rein geistliche Institution" (Ernst Rudolf Huber).

Die Staatsleistungen an die Kirche standen damals wie heute in der Kritik von Geschichts- und Kirchenfernen. Doch ausgerechnet der vom Saulus zum Paulus geläuterte Joseph Görres sprang 1838 in die Bresche, um die Staatsleistungen zu verteidigen. Sie seien kein Akt der Wohltätigkeit, denn die Kirche habe nicht als Bettlerin um Almosen an der Türe der Regierung vorgesprochen: "Sie fordert nur

(...) in Geld und Gut den kleinsten Theil dessen, was man ihr genommen."


Quelle:
KNA