Wenn man in den Raum des Alten Museums in Berlin tritt, in dem die Sonderausstellung "Göttinnen und Gattinnen. Frauen im antiken Mythos" gezeigt wird, fallen einem neben antiken Figuren die lilafarbenen Erläuterungstafeln und rötlich unterlegten Schriftzüge an den Bannern neben den Schaukästen auf.
In denen sind antike Vasen und andere Schmuckstücke zu sehen. "Gattinnen und Vorbilder", "Göttinnen und Grenzen" sowie "Stark und Böse" ist auf den Bannern zu lesen. Um diese drei Themenbereiche geht es bei der Ausstellung, die am Freitag startet und bis zum 15. März 2025 läuft.
Einen aktuellen Blick auf Frauen im Mythos
Die Schau erlaube einen aktuellen Blick auf Frauen im Mythos, erläuterte Kuratorin Annegret Klünker am Donnerstag vor Journalisten. Ihr sei aufgefallen, dass seit 2018 in der Literatur ein neuer Blick auf antike Frauengestalten gezeigt werde:
"Autorinnen geben diesen Figuren neue Stimmen, zeigen andere Aspekte, als dies früher von Autoren gemacht wurde. Diesen Ansatz haben wir auf die Ausstellung übertragen." Dabei gehe es auch darum, Stereotype aufzubrechen.
Führungsqualität und Ambivalenz
Das lässt sich gleich beim Themenbereich "Gattinnen und Vorbilder" erleben, wo neben einem Torso der Penelope darauf hingewiesen wird, dass diese geduldig auf ihren Odysseus wartende Frau viel mehr war, als nur ein Vorbild für Treue und Geduld, wie es die herkömmliche Lesart ist.
Penelope managte während der Abwesenheit ihres irrfahrenden Ehemanns einen ganzen Hofstaat, besaß also unbestritten Führungsqualitäten.
Die drei "Alpha-Mädchen" am antiken Göttinnenhimmel
Im Abschnitt "Göttinnen und Grenzen" wird der Ausstellungsraum dominiert von mittelgroßen Statuen - den drei "Alpha-Mädchen" am antiken Göttinnenhimmel: Aphrodite, Athena und Artemis. Auch hier wird deutlich, wie erhellend es sein kann, einen freien Blick auf antike Frauenfiguren zu werfen. Alle drei besaßen nämlich, wie erläutert wird, eine erstaunliche Ambivalenz, kannten keine Grenzen.
Aphrodite (römisch: Venus) war zwar verheiratet und galt als Beschützerin der Ehe, was sie jedoch nicht von außerehelichen Beziehungen abhielt. Athena war zuständig für Technik, Handwerk und Kriegsführung - ließ es sich aber nicht nehmen, für ein Pflegekind namens Erichthonios zu sorgen, den späteren König von Athen.
Auch Artemis (römisch: Diana) war eine hochkomplexe Frauengestalt, die nicht nur für die Jagd und wilde Tiere zuständig war, sondern auch bei Schwangerschaft und Geburt den Menschen beistand. Wobei sie selbst, wie Athena, den Jungfrauen-Stand bevorzugte.
Im Ausstellungsabschnitt "Stark und Böse" schließlich findet man Vasen, welche die Amazonen in Aktion zeigen: wild, unerschrocken und mit freigelassener Brust. Ob die moderne Heldin "Super Woman", die als Spielzeugfigur in einer Vitrine gezeigt wird, von diesen antiken Vorbildern inspiriert ist?
Medusas Tragik
Die eigentliche Entdeckung in diesem Abschnitt ist aber Medusa, die bis in die Moderne als Sinnbild eines weiblichen Monsters galt, weil sie die unangenehme Fähigkeit besessen haben soll, jeden, den sie anschaut, mit ihrem Blick versteinern zu können.
In "Göttinnen und Gattinnen" wird an die weniger bekannte Vorgeschichte erinnert: Laut Mythos wurde Medusa als hübsches Mädchen vom Meeresgott Poseidon vergewaltigt. Athena war es dann, welche nicht den Gott, sondern das Opfer bestrafte, indem sie Medusa in ein Ungeheuer verwandelte. Auch Göttinnen machen Fehler.
Insgesamt eine anregende Ausstellung, die mit rund 45 Objekten die Aufnahmefähigkeit des Betrachters nicht überfordert. Eine Leseecke bietet Gelegenheit, in aktuellen Werken mit mythologischem Bezug zu blättern, auch in dem gleichnamigen Begleitband zur Ausstellung. Abstimmen, welche Göttin man favorisiert, kann man auch. Medusa liegt derzeit mit fünf Punkten vor den Amazonen (vier) und Athena (drei).