DOMRADIO.DE: Sie schreiben in einer ersten Stellungnahme der Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands: "Die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen ist für uns der erste Schritt zur Aufhebung eines gesellschaftlichen Konsenses." Inwiefern?
Prof. Agnes Wuckelt (Stellv. Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands): Wir sehen den Paragrafen 219a im Gesamtkontext wie zum Beispiel auch vor dem Hintergrund der Wahlprogramme unserer Parteien, vor dem Hintergrund dessen, was im Moment im Parlament diskutiert wird. Die Diskussionen gehen ja dahin, dass generell der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch abgeschafft werden soll.
Wir befürchten, dass sich durch ein Rütteln an diesem Konzept eine Aufhebung des gesellschaftlichen Konsenses ereignen könnte. Dieses Konzept ist über Jahre errungen worden und stellt einen Schutz für die Frau in ihrem Selbstbestimmungsrecht wie auch den Schutz des noch ungeborenen Lebens dar. Von daher beobachten wir das Ganze schon etwas mit Sorge.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie den Paragrafen 218 genannt, der im Moment noch kein Thema ist und das Gegenteil von Paragraf 219a, wo es "nur" um die Werbung geht.
Wuckelt: Das ist genau das Problem: Was ist Werbung? Was wird unter Werbung verstanden? Wir haben die Befürchtung, dass eine ganze Menge Missbrauch geschehen kann, wenn Werbung generell freigeschaltet ist. Dies geht eventuell zulasten von Ärztinnen und Ärzten, die kompetente und fach- und sachgerechte Beratung geben können.
DOMRADIO.DE: Bundesjustizminister Marco Buschmann hat die Entscheidung unter anderem damit begründet, dass es nicht sein könne, dass im Internet alles an Werbung für Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sei, gerade durch die Werbung, die aus dem Ausland kommt. Aber warum soll man dann in Deutschland seriösen Ärztinnen und Ärzten Werbung und damit auch Aufklärung und Information verbieten?
Wuckelt: Werbung ist verboten. Information ist nicht verboten. Es muss Herrn Buschmann Recht gegeben werden. Wenn wir auf unterschiedliche Seiten schauen, dann kann jede Frau an die entsprechenden Informationen drankommen. Wobei unter Umständen nicht gewährleistet ist, dass das eine seriöse Information ist. Wir wissen aber auch, dass es auf den Kontext des gesamten Pakets ankommt.
Wir können Paragraf 219a nicht von Paragraf 219 trennen, wo die Beratung festgelegt ist. Und das wiederum können wir auch nicht von Paragraf 218 trennen, weil es zusammengehört. Es stellt sich dann aber doch die Frage, ob ein "Behandeln" eines Schwangerschaftsabbruchs genau so etwas ist wie eine Zahnbehandlung oder eine Schönheitsoperation.
Da sind wir in Deutschland mit diesem Schutzkonzept, das wir in Paragraf 219 und Paragraf 219a in Verbindung haben, wirklich einmalig. All diejenigen, die politisch, aber auch kirchlich seit 1999 mitarbeiten, haben versucht hier den Schutz von Frauen und ungeborenem Leben dadurch zu gewährleisten, dass es nicht zu einer Normalität und zu einem beliebigen medizinischen Eingriff kommt beziehungsweise man sich eine Pille aus dem Internet zuschicken lässt und das selbst erledigt.
Der Kernpunkt ist dieses Schutzkonzept, das damit verbunden ist und das wir nicht zur Disposition stellen wollen.
DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche hat selbst Schwangerschaftsberatungsstellen. Inwiefern sind die jetzt umso mehr gefragt?
Wuckelt: Die katholische Kirche ist insofern per se durch die Bischofskonferenz aus der Beratung ausgestiegen, da kein Beratungsschein ausgestellt wird. An dieser Stelle setzen wir auf Donum Vitae und auf das Beratungskonzept, das wir staatlicherseits in den unterschiedlichsten Facetten finden, was die christliche Sicht auf den Schwangerschaftsabbruch und dessen Implikationen setzen will. Hierzu gehört bei uns selbstredend eine medizinische Aufklärung.
Wer sich mit der Arbeit der Beratungsstellen beschäftigt, der weiß auch, dass sich Frauen, die zu diesem Gespräch kommen und dieses Gespräch wünschen, in der Regel bereits vorher bei ihrer Frauenärztin, ihrem Frauenarzt über die medizinische Seite informiert haben. Es ist nicht so, dass wir diese Seite irgendwie verdammen, sondern sie gehört zum Beratungskonzept dazu.
Das Interview führte Martin Mölder.