Jurist Heinig: Kirchen tragen in Corona-Krise große Verantwortung

"Freiwillig radikal begrenzen"

Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig verteidigt die Ausnahmen für Gottesdienste während der Corona-Einschränkungen im November. Aus diesem Entgegenkommen der Politik erwachse allerdings große Verantwortung, so Henig. 

Gottesdienstbesucher / © Harald Oppitz (KNA)
Gottesdienstbesucher / © Harald Oppitz ( KNA )

Es wäre ein schwerer Fehler, jetzt seitens der Religionsgemeinschaften den Rechtsrahmen einfach auszuschöpfen und möglichst viele Veranstaltungen durchzuführen, weil diese nicht verboten sind, sagte der Direktor des Instituts für Öffentliches Recht an der Georg-August-Universität Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wenn Religionsgemeinschaften ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen, müssen sie sich freiwillig radikal begrenzen: auf Seelsorge, auf kleine und kurze geistliche Angebote, auf digitale Formate, auf den Schutz und die Begleitung der besonders Verletzlichen", sagte Heinig. Der drohende Zusammenbruch des Gesundheitssystems betreffe auch kirchliche Einrichtungen. "Nächstenliebe verlangt momentan wieder wie im Frühjahr Kontaktreduktion. Alle gesellschaftlichen Bereiche sollten dazu ihren Beitrag leisten, auch die Kirchen."

Heinig versteht den Unmut

In der Debatte um die neuen Corona-Beschränkungen werden Stimmen laut, die von Unfairness sprechen. Es wird beklagt, dass Gottesdienste stattfinden dürfen, Theater und Konzerthäuser aber geschlossen bleiben müssen. Gesellschaftspolitisch verstehe er den Unmut, räumte Heinig ein. "Gottesdienste und viele andere Veranstaltungen, auch kirchliche Gremiensitzungen, sind kontaktintensiver als ein Museumsbesuch. Kunst genießt einen ebenso intensiven Grundrechtsschutz wie Religion", betonte der Jurist.

Auf die kirchlichen Hygienekonzepte könne niemand verweisen, um Differenzierungen zu begründen. Die müssten ja auch Theater, Opern und Museen vorweisen. Sein Eindruck sei, dass die Politik "sensibel wahrgenommen hat, wie viel Kritik die Kirchen im Frühjahr einstecken mussten, weil sie die damaligen Gottesdienstverbote hingenommen haben". Die daraus resultierenden Verwerfungen habe man den Kirchen diesmal ersparen wollen, fügte Heinig hinzu.


Quelle:
epd