"Die Zeit ist reif, Krieg als ein untaugliches Mittel der Konfliktlösung global zu ächten, ja in einer Weise und für immer zu tabuisieren, wie es der Menschheit mit etwa der Sklaverei gelungen ist", schreibt Egon Spiegel auf dem Portal katholisch.de am Wochenende.
"Krieg ist von gestern"
Krieg gehe nicht mehr, "Krieg ist von gestern", schreibt der Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie an der Universität Vechta. Mit Blick auf Soldaten und Zivilisten habe sich gezeigt, "dass die Auswirkungen von Gewalt kaum noch zu ertragen sind." So hätten sich nach dem Einsatz im Falklandkrieg mehr englische Soldaten das Leben genommen als darin gefallen seien; dasselbe gelte für US-amerikanische Vietnam-Veteranen.
Auch wirtschaftliche Gründe, "die Fragilität unserer Infrastruktur" erlaube nicht mehr, Kriege zu führen, so der Forscher. "Die Nationen sind weltweit in einer Weise miteinander verflochten, dass sich in diesem Rahmen jeder regionale 'Brand' fast zwangsläufig zu einem Flächenbrand entwickeln muss." Ebenso würden etwa großflächige Ausfälle von Elektrizität durch Cyber-Angriffe "die Gesellschaft in ein heilloses Chaos stürzen".
Friedensforschung nicht gefragt
Weder in den Parteien noch in der medialen Öffentlichkeit seien derzeit jedoch die Erkenntnisse der Friedensforschung gefragt, kritisiert Spiegel. Dabei habe sie "unzählige historische Beispiele gewaltfreien Widerstandes untersucht und damit den politischen Entscheidungsträgern die Möglichkeit an die Hand gegeben, ihre Ergebnisse im Hinblick auf aktuelle beziehungsweise zukünftige Konflikte durchzuspielen". Insofern sei es nicht an der Zeit, die Ukraine mit Waffenlieferungen zu unterstützen. "Was die Ukraine benötigt, ist ein Beraterstab in Fragen der gewaltfreien Aktion."
Gemeint sei damit nicht der Verzicht auf Selbstverteidigung, betont der Experte, sondern der "höchst aktive, auf den Schultern aller Betroffenen ruhende Widerstand, allerdings ein gewaltfreier". Das Ziel sei, dass der "Aggressor, keineswegs ein politischer Monolith" in Fraktionen von Menschen zerbreche, die mitmachen, "aber auch solche, die ihr Tun zunehmend in Frage stellen, und solche, die es angesichts des gewaltlosen Widerstandes schließlich für unrechtmäßig halten und entsprechende Konsequenzen ziehen".