"Es wird ein gutes Jahr werden, wenn wir für andere sorgen", betonte das Kirchenoberhaupt in seiner Predigt zum Neujahrstag. Persönlich kam der 84-Jährige angeschlagen über den Jahreswechsel. Ischias-Schmerzen zwangen ihn zum Verzicht auf die Dankvesper an Silvester und die Neujahrsmesse. Es war das erste Mal seit seiner Wahl 2013, dass er bedeutende Gottesdienste krankheitshalber ausfallen ließ.
Erinnerung an Toten und Betroffene der Pandemie
Am Silvesterabend erinnerte der Papst besonders an die Toten und Betroffenen der Pandemie. Die Frage nach dem "Warum" des Leidens lasse sich nicht mit Verweis auf höhere Gründe beantworten, erklärte er in der Predigt, die Kardinaldekan Giovanni Battista Re an seiner Stelle vortrug. Es gebe keinen "zynischen und erbarmungslosen Gott", der auch nur einen einzigen Menschen opferte. Die Antwort Gottes liege in der Menschwerdung. In dem Drama der Pandemie lasse sich kein anderer Sinn finden als der, Mitleid und Solidarität zu wecken.
Franziskus rief zu Dank auf für das Gute, das während des Lockdowns und allgemein während der Pandemie geschehen sei. Er würdigte Ärzte und Pflegekräfte, Seelsorger, Beschäftigte an Schulen und im öffentlichen Dienst, aber auch alle, die sich um ihre Familien und das Gemeinwohl bemühten. "Das Lob, das Gott am meisten gefällt, ist geschwisterliche Liebe", unterstrich der Papst. Auch wer sich dessen nicht bewusst sei, werde "von der Kraft Gottes getrieben, die stärker ist als unser Egoismus".
Sorge für die Mitmenschen
Auch in seiner Ansprache zur Neujahr mahnte Franziskus zur Sorge für Mitmenschen, für die Welt und für die Schöpfung. "In diesem Jahr, in dem wir auf einen Neubeginn und neue Behandlungsmöglichkeiten hoffen, sollten wir die Sorge füreinander nicht vernachlässigen. Denn über den Impfstoff für den Körper hinaus brauchen wir auch einen Impfstoff für das Herz: die Sorge füreinander. Es wird ein gutes Jahr werden, wenn wir für andere sorgen."
Franziskus ermunterte, im neuen Jahr "Zeit für Gott und für unsere Mitmenschen zu finden - für die Einsamen, für die Leidenden, für die, die jemanden brauchen, der ihnen zuhört und sich um sie kümmert". Stellvertretend für den Papst zelebrierte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Messe und verlas die Predigt.
Friedensappell beim Mittagsgebet
Persönlich wandte sich das Kirchenoberhaupt beim Mittagsgebet aus dem Apostolischen Palast mit einem Friedensappell an die Welt. Frieden sei ein "Geschenk Gottes" und mit menschlichen Kräften allein nicht zu schaffen, sagte er. Zugleich gelte es Frieden zu fördern durch Dialog, Zusammenarbeit nach den Maßstäben von Wahrheit und Gerechtigkeit sowie die Achtung der "legitimen Bestrebungen der Menschen und Völker". Das italienische Fernsehen und Vatikan-Medien übertrugen das Gebet und die Ansprache live.
"Mein Wunsch ist, dass Frieden herrsche in den Herzen der Menschen und der Familie, an den Orten von Arbeit und Freizeit, in den Gemeinschaften und Nationen", sagte der Papst. 2021 solle ein Jahr der geschwisterlichen Solidarität und des Friedens für alle werden, ein Jahr voller Zuversicht und Hoffnung".
Ausdrücklich rief er zu Einsatz für die Schöpfung und zur Beendigung von Konflikten auf. Dabei bekundete er "Schmerz und Sorge" über neuerliche Gewalt im Jemen. Zusammen mit zahlreichen weiteren unschuldigen Opfern litte vor allem die Kinder, die ohne Schulbildung, medizinische Hilfe und ausreichende Ernährung blieben.
Jahreswechsel im Vatikan
Die Gottesdienste zum Jahreswechsel im Petersdom fanden pandemiebedingt nur mit einigen Dutzend Gläubigen und Kardinälen im vorderen Teil der Basilika statt. In Italien herrschte über Neujahr eine strikte Ausgangssperre. Bei der Dankvesper an Silvester war neben anderen politischen Vertretern Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi zugegen; dem Neujahrsgottesdienst wohnten auch diplomatische Vertreter bei.
Ungeachtet der Gesundheitsprobleme trat Franziskus beim Mittagsgebet in der päpstlichen Bibliothek ohne sichtbare Beeinträchtigungen auf. Auf sein Fehlen bei beiden Gottesdiensten ging er nicht ein. Das Hüftleiden des Papstes ist seit langem bekannt. Im Sommer 2013 bekannte er, das Schlimmste, was ihm in den ersten Amtsmonaten widerfahren sei, sei eine äußerst schmerzhafte Ischias-Attacke.
Absagen geplanter Termine sind indessen selten und hatten meist Bagatellerkrankungen als Grund. Im vergangenen März hinderte ihn eine schwere Erkältung, an einwöchigen Fastenexerzitien südlich von Rom teilzunehmen.