Für die Flut in Pakistan machen Meteorologen ein Wetterphänomen verantwortlich

Kalte Schwester

Der Monsun-Wind bringt jedes Jahr im Juli und August viel Regen in Pakistan. Doch was ist der Grund für die extrem starken Niederschläge in diesem Jahr, die die große Flut auslösten? Meteorologen führen sie auf das Klimaphänomen "La Niña" zurück.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Es ist eine wiederkehrende Klima-Anomalie, die im Südpazifik ihren Anfang nimmt und das Wetter in den Tropen rund um den Globus durcheinanderbringen kann. Oft beobachtet, gibt das Ereignis dennoch weiter Rätsel auf.

"La Niña" ist der Gegenpol des bekannteren Phänomens "El Niño" (Kind, Christkind, Junge), das meist in der Weihnachtszeit vor der Küste Perus beginnt. Die Meeresströmung ist dann um bis zu acht Grad wärmer und führt weniger Fische, der Wind wechselt die Richtung oder erstirbt, heftiger Regen kann die Westküste Nord- und Südamerikas unter Wasser setzen. Südostasien klagt dagegen über Dürren. "El Niño" tritt etwa alle drei bis acht Jahre auf.

Als "kalte Schwester" folgt manchmal - und oft mit ein paar Jahren Abstand - "La Niña", die mit einer Abkühlung des Oberflächenwassers im Pazifik beginnt. Wieder ändern sich Meeresströmungen und Winde: Dadurch wird die feuchte Pazifikluft weiter nach Norden Richtung Himalaya geweht als sonst, über dem Norden Pakistans oder Indiens regnen mehr Wolken ab. Die Folgen sind meist auch stärkere Niederschläge im Westpazifik, im südlichen Afrika, im Norden Australiens sowie in Mittelamerika und im Norden Südamerikas. Trockenheit droht dagegen zumeist im mittleren Ostafrika und an der Südspitze Südamerikas.

Ursachen sind unklar
1998 schlug "El Niño" plötzlich in "La Niña" um. In dem Jahr gab es dramatische Hurrikans in Mittelamerika, ein Zusammenhang ist aber nicht bewiesen. Allein durch den Wirbelsturm "Mitch" starben in jenem Jahr in Honduras und Nicaragua 11.000 Menschen. Auch 2009/2010 änderte sich die Wetterlage in kurzer Zeit. Vor wenigen Wochen teilte die Weltorganisation für Meteorologie in Genf die eindeutige Diagnose "La Niña" mit, vor einem Jahr war es noch "El Niño". Früher oszillierte das Wetter der Tropen meist in langen Wellen zwischen den beiden Extremen. "Das Problem ist jetzt, dass man nicht mehr die Uhr danach stellen kann", sagt Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach.

Warum die Wechsel sprunghafter und plötzlicher stattfinden, ist unklar. Liegt es am Klimawandel, an den Schadstoffen in der Luft, an den Kondensstreifen oder an mehr Wolken? Aber auch der Grund für das Pendeln zwischen "El Niño" und "La Niña" selbst liegt weiter im Dunkeln. Bislang können ihn die Wissenschaftler nur im komplexen Wechselspiel zwischen Atmosphäre und Ozean vermuten. Wie stark die Sonne strahlt, könnte dabei eine Rolle spielen.

"El Niño" und "La Niña" gelten als stärkste natürliche Klimaschwankung des Planeten im Zeitraum einiger Jahre, mit Folgen für Ökosysteme, Fischbestände, Landwirtschaft und ganze Volkswirtschaften. Pakistan brachte "La Niña" in diesem Jahr eine katastrophale Sintflut. In Peshawar wurde im Juli die größte Regenmenge seit Beginn der Messungen vor rund 150 Jahren gemessen: In der Stadt fielen 402 Liter je Quadratmeter, acht Mal so viel wie im Jahresdurchschnitt (46 Liter). Davon ging an einem einzigen Tag, dem 29. Juli, mehr als die Hälfte nieder (274 Liter). In der Stadt Muzaffarabad regnete es im Juli 579 Liter auf einen Quadratmeter, etwa so viel wie in Berlin in einem ganzen Jahr.