DOMRADIO.DE: Sie haben kürzlich ein Buch über Berufungserlebnisse von Frauen herausgegeben. Was erzählen die Frauen Ihnen?
Sr. Philippa Rath OSB (Ordensschwester und Autorin): Die Autorinnen sind 150 Frauen, die selber eine Berufung in sich gespürt haben, die sich zum Priesterinnenamt, zum Diakoninnenamt oder anderen Diensten in der Kirche berufen wissen und diese nicht ausüben können, nur weil sie eine Frau sind. Diese Frauen fühlen sich diskriminiert, ausgegrenzt von den Ämtern in der Kirche. Und sie möchten gerne gleichberechtigt mit den Männern auf Augenhöhe Verantwortung übernehmen in unserer Kirche.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich denn der Ruf Gottes für Sie damals angefühlt?
Rath: Unbedingt. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Wenn ich einen Ruf spüre, dann muss ich ihm folgen und ich war immer zum Ordensleben berufen. Umso mehr kann ich aber verstehen, wenn Frauen, die sich zu einem anderen Dienst berufen wissen, ihrem Ruf nicht folgen können und wie sehr sie darunter leiden. Das ist auch ein roter Faden, der sich durch diese Berufungungsgeschichten zieht. Es ist ein ungeheures Leiden daran, die eigentliche, ursprüngliche Berufung nicht leben zu können.
DOMRADIO.DE: Mit katholischen Frauenverbänden, Initiativen, anderen Ordensfrauen und kirchlichen Gremien haben sie ein Netzwerk gegründet, den "Catholic Women's Council", um sich für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche einzusetzen. Was sind da Ihre wichtigsten Themen?
Rath: Das wichtigste und vorrangige Thema ist Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche. Das ist das Zentrum. Wir haben uns vor zwei Jahren, 2019 im September, zusammengefunden, Vertreterinnen ganz unterschiedlicher Verbände: Initiativen, einzelne Persönlichkeiten, Ordensfrauen, Frauen aus den deutschsprachigen Ländern. Inzwischen hat sich dieser Kreis deutlich erweitert. Wir sind jetzt weltweit unterwegs und alle verbindet dieses gemeinsame Streben nach Gleichberechtigung in der Kirche.
DOMRADIO.DE: Auf welchem Weg sind Sie denn gerade jetzt, zwei Jahre nach der Gründung?
Rath: Ich denke, die Vernetzung wird deutlich enger, engmaschiger und größer. Sie wird weltweiter noch, als wir es am Anfang hatten. Heute haben wir zum Beispiel eine gemeinsame Zusammenkunft, natürlich alles digital, an der mehrere hundert Frauen teilnehmen. Wir stärken uns gegenseitig. Wir hören natürlich auch, welche vorrangigen Themen in unterschiedlichen Bereichen der Welt gerade auf der Tagesordnung stehen. Es ist ja nicht nur die Gleichberechtigung in der Kirche. Es geht hier auch um die Missachtung der Würde der Frau in anderen Teilen dieser Welt. Es weitet sich also auch aus auf allgemeine Frauenthemen.
DOMRADIO.DE: Was kommt da alles auf den Tisch?
Rath: Zunächst einmal ist das auch ein Gebetstreffen. Es sind lauter engagierte Frauen, die mitten in der Kirche stehen. Das ist mir auch ganz wichtig. Das sind keine Randexistenzen, sondern Frauen, die zum Teil seit Jahrzehnten oder seit vielen Jahren sich in der Kirche engagieren. Auf den Tisch kommen genau diese Themen: Es werden Frauen sprechen aus allen Kontinenten über ihre Erfahrungen in der Gesellschaft, aber auch in der Kirche. Wir werden gemeinsam beten und ich werde dann am Schluss einen Aufruf starten, analog zu dem Buch, was ich herausgegeben habe, in dem Berufungsgeschichten der Frauen gesammelt sind, dass wir weltweit solche Berufungszeugnisse sammeln. Es wird ja sehr häufig angeführt, das sei alles nur ein deutsches Problem oder ein westeuropäisches Problem. Die Erfahrung machen wir aber ganz und gar nicht. Es gibt berufene Frauen in aller Welt, die nicht ihrer Berufung folgen können. Wir möchten jetzt einfach mal aus aller Welt solche Texte sammeln. Die werden dann auf der Homepage von Catholic Women's Council veröffentlicht.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, heute an diesem Weltfrauentag. Was wäre das?
Rath: Dass sich die Männer in der Kirche, vor allem auch die verantwortlichen Männer, wirklich einmal diesen Berufungen der Frauen stellen, die Texte an sich herankommen lassen und neu über das Thema Berufungen aller Gläubigen nachdenken.
Das Interview führte Carsten Döpp.