Rund 8.000 Menschen haben nach Polizeiangaben am Donnerstagnachmittag vor dem Regierungspräsidium Kassel an einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus teilgenommen. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, rief dazu auf, gegenüber rechtsradikaler Intoleranz keine Toleranz mehr zu zeigen.
Anlass für die von der Stadt und zahlreichen anderen Organisationen und Institutionen organisierte Kundgebung war die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in der Nacht zum 2. Juni durch einen Rechtsextremisten.
Gänsehautmoment bei der Kundgebung #Zusammensindwirstark in #Kassel. #Lübcke pic.twitter.com/WSs8NltDAf
— Stadt Kassel (@StadtKassel) 27. Juni 2019
Die Kirchen seien bereit, sich mit allen demokratischen Kräften zu verbünden, die sich für den Rechtsstaat und das freiheitliche Gemeinwesen einsetzten, sagte Bischof Hein. Dem Treiben der rechtsradikalen Szene in Kassel sei viel zu lange zugeschaut worden. Es sei erschreckend, dass 13 Jahre nach dem Mord an Halit Yozgat durch den NSU nun erneut ein politischer Mord in Kassel stattgefunden habe.
Geeinter Widerstand
Der gewaltsame Tod von Walter Lübcke aber habe die Stadtgesellschaft aufgerüttelt, geeint Widerstand gegen alle Formen rechtsradikaler Gewalt zu zeigen. "Die Würde des Menschen zu schützen ist unser aller Aufgabe! Wer sie missachtet - sei es gewaltsam oder mit Worten -, stellt sich außerhalb unseres demokratischen Gemeinwesens. Da gibt es kein Wenn und Aber!", betonte Hein.
Der katholische Fuldaer Bischof Michael Gerber rief angesichts der Hasstiraden in den sozialen Netzwerken vor und nach dem Tod Lübckes zu einer "Kultur der Wertschätzung" auf. Walter Lübcke sei für eine solche Kultur des aufrichtigen Respekts und der unbedingten Achtung voreinander ein bleibendes Vorbild, sagte er.
"Beeindruckendes Signal"
Zuvor hatte Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) angesichts der vielen Teilnehmer von einem beeindruckenden Signal aus Kassel gesprochen. "Wir sind nicht der braune Sumpf der Nation", erklärte er. Der Mord an Lübcke habe ihn traurig, sprachlos und wütend gemacht.
Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) rief die Anwesenden dazu auf, dem Hass und der rechten Hetze im Netz persönlich entgegenzutreten. "Denn aus Worten können Taten werden", mahnte sie. Walter Lübcke sei mutig für die demokratische Grundordnung eingetreten.
99 Luftballons und "Imagine"
Der Intendant des Kasseler Staatstheaters, Thomas Bockelmann, las aus anonymen Hassmails, die den Tod Lübckes betrafen, Passagen vor. "Das sind Zitate von Menschen, die sich in der Anonymität des Netzes einmal mächtig fühlen wollen." Es sei sehr wahrscheinlich, dass Walter Lübcke ohne diese rechte Hetze noch leben würde, folgerte er.
Während der Veranstaltung wurde von den Anwesenden unter anderem auch das Lied "Imagine" von John Lennon gemeinsam gesungen. Am Ende der Veranstaltung, die unter dem Motto "Zusammen sind wir stark" stand, ließen Mitarbeiter des Regierungspräsidiums 99 bunte Luftballons zum Gedenken an Lübcke in den Himmel steigen.