Unzähligen Kommuionkindern ergeht es in diesem Jahr vielleicht ein Stück weit wie den Sportlern, die den Olympischen Spielen entgegengefiebert haben: Da bereitet man sich viele Monate auf ein großes Ereignis vor, und dann wird die große Feier durch die Corona-Pandemie abgesagt. Pfarreien und Familien versuchen nun, das beste aus der widrigen Lage zu machen.
"Man kann momentan nicht planen"
Jonathan Meyer hat Mitte März erfahren, dass seine Erstkommunion erst Ende August stattfindet. Der Achtjährige habe es mit Fassung getragen, erzählt seine Mutter Dorothea. Schließlich war Mitte März auch das intensive Vorbereitungswochenende schon abgesagt worden. Jonathan sieht es pragmatisch, "wir hätten ja gar nicht mit so vielen Menschen in der Kirche zusammen ferein dürfen". Seine Mutter ist derweil froh, dass sich das gebuchte Restaurant auf einen Termintausch eingelassen hat. Auch das Sakko für ihren Sohn habe sie erstmal zurückgeben können, "und auf der Kommunionkerze stand auch noch nicht das Datum".
Meyer, die in ihrer Gemeinde in Fulda auch als Katechetin für die Erstkommunionkinder aktiv ist, habe die Absage für den 19. April sogar "entspannt": Nach dem Ausfall des wichtigen Wochenendes wären die Kinder "noch nicht ausreichend vorbereitet" gewesen auf das Thema Eucharistie. Wie und wann das nun nachgeholt werden kann? "Man kann einfach momentan nicht planen", sagt Meyer, "ich sehe uns noch nicht nach den Osterferien weitermachen". Notfalls müsse ihr Sohn nach den Sommerferien auch mal das Fußballtraining ausfallen lassen. Aber ob die anderen Eltern, die auch in die Erstkommunionvorbereitung eingebunden sind, terminlich auch so flexibel sein werden? "Es wird viel auf Freiwilligkeit ankommen", erklärt Meyer.
Flexibilität und Kreativität braucht auch der Bonner Pastoralreferent Guido Zernack. 48 Kinder aus seiner Seelsorgeeinheit wären Ende April und Anfang Mai zur Erstkommunion gegangen. Inzwischen geht er davon aus, "dass vor den Sommerferien gar nichts mehr laufen wird". Um die nötigen Abstandsregeln einzuhalten, sind alle Versammlungsräume der Gemeinden bis zum 30. Juni geschlossen. Ein Nachholtermin nach den Sommerferien stehe noch nicht fest.
Wöchentliche Handreichung
Dabei sei Zernack mit der Kinderkatechese "praktisch fast fertig geworden". Einzig zwei Familienmessen und die Feiern der Karwoche und Ostern hätten zur Vorbereitung noch gefehlt. Nun bereite der Pastoralreferent für die Eltern eine "wöchentliche Handreichung" vor, "damit sie zu Hause selbstständig miteinander über die Karwoche und Ostern ins Gespräch kommen können". Auch ein Youtube-Kanal soll genutzt werden. Selbst eine Art elternbetreute Küchentisch-Katechese für die Kommunionkinder, die im Herbst 2020 ihre Vorbereitung starten, hält Zernack für denkbar.
Das Thema Corona werde das Gemeindeleben wohl noch lange einschränken, sagt der Pastoralreferent. Ob und wie die Kommunionkinder dieses Frühjahrs ihre Aufnahme in die Kirche feiern können, "das steht noch in den Sternen". Möglicherweise könnte die Feier nach den Sommerferien nach einem Gemeindegottesdienst ganz regulär stattfinden; möglicherweise - unter Einhaltung der Abstandsregeln - auch nur ausschließlich mit Kindern und Eltern, ohne Großeltern. Es sei sogar möglich, die Erstkommunion für jedes Kind einzeln, in ganz kleinem Rahmen zu begehen.
"Wir können in diesem Jahr - nicht wie sonst - einen Erstkommunionsgottesdienst mit 600 Leuten feiern - das halte ich persönlich für ausgeschlossen." Wenn die Familien gerne Oma und Opa dabei haben möchten, hält Zernack das Frühjahr 2021 für realistisch - vielleicht auch gemeinsam mit den Kindern, die in diesem Herbst ihre Vorbereitung starten werden. Welche Lösung sich auch abzeichne: "Die Leute wollen Klarheit haben und lieber später, in einem guten Rahmen feiern", glaubt der Pastoralreferent.
"Das größte Fest der Kindheit"
Für manche der betroffenen Kinder sei die coronabedingte Verschiebung ihres großen Tages "ein emotionaler Hammer", beobachtet indes der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger. Schließlich sei die Erstkommunion "das größte Fest ihrer Kindheit". Wenn dieses nun um viele Monate verschoben werden müsste, sei das eine Herausforderung, die aber zu meistern sei.
Zudem bekämen Kinder die allgemeine Unsicherheit und derzeitige Unplanbarkeit des Lebens mit. "Das tiefere Problem für die Kinder ist doch, dass wir so ausgeliefert sind und auch der liebe Gott das blöde Corona-Virus nicht einfach wegschicken kann." Manche Kinder fragten sich nun, warum Gott nicht verhindere, dass Menschen daran sterben oder ob Gott die Menschen mit der Pandemie bestrafen wolle. Biesinger beobachte bei einigen Kindern gar eine Art "Gottesverzweiflung".
Deshalb sieht der Religionspädagoge Eltern in der Pflicht, ihre spirituell verunsicherten Kinder in dieser Situation aufzufangen. Eine klare Botschaft der Erwachsenen könne sein: "Gott kann das Virus nicht wegzaubern, aber er haut auch nicht ab, wenn es dunkel wird." Gemeinsame Rituale, etwa der abendliche Blick auf den Tag vor dem Schlafengehen, helfen Kindern aus der Erfahrung des Religionspädagogen, ihre Sorgen, Fragen und Verunsicherung vor Gott zu bringen.
Gerade in Krisenzeiten geben laut Biesinger solche Rituale jungen Menschen Halt. Eltern könnten beispielsweise schauen, was die Psyche ihrer Kinder bewege - etwa das Gefühl von Bedrohung, Angst oder Kontrollverlust - und eine entsprechend stärkende Geschichte aus einer Kinderbibel auswählen. Auf diese Weise könne nicht nur die Erstkommunionvorbereitung aufrechterhalten werden. Solche Rituale gäben in Zeiten wie diesen auch "Stabilität und Trost".