DOMRADIO.DE: Etwa 6.000 Menschen in Köln sind wohnungslos, viele sind obdachlos. Wie kann man diesen Menschen ein halbwegs festliches Weihnachtsfest ermöglichen?
Weihbischof Ansgar Puff (Kommissarischer Leiter des Kölner Zentrums für katholische Wohnungslosenseelsorge GUBBIO): Schon in der Zeit vor Weihnachten gab es ganz viele tolle Initiativen. Man konnte an verschiedenen Stellen zu einem wunderschönen Essen gehen. In GUBBIO gibt es am Heiligen Abend selber eine Eucharistiefeier, die Weihnachtsmesse. Wir haben da vor ein paar Tagen extra mit ein paar Leuten geputzt, die Bäume aufgestellt, alles wunderschön geschmückt.
Nach dem Gottesdienst werden wir in der Kirche ein Essen anbieten für die Wohnungslosen. Und die, die dann wirklich gar nichts haben, wo sie übernachten können, die dürfen in dieser Nacht auch in der Kirche schlafen.
DOMRADIO.DE: Wie wird die Weihnachtsmesse ablaufen?
Puff: Das ist die ganz normale Weihnachtsmesse, wie sie auch im Kölner Dom abläuft. Die liturgischen Gestaltungen sind ähnlich. Wir haben zwei sehr gute Musiker, die Musik machen werden. Und die Krippe ist aufgebaut, die Tannenbäume stehen. Was mich ein bisschen verwundert hat – ich bin jetzt das erste Jahr da –, war, dass die Krippe in GUBBIO keinen Stall hat.
Da war ich erst ein bisschen enttäuscht, hab gedacht: "Wie, kein Stall? Nur die Figuren so drum herum?!" Bis ich kapiert habe, dass es natürlich aus der bürgerlichen Brille gesehen ist: Ich habe eine Wohnung, also braucht es einen Stall. Die haben keine Wohnung, also gibt's keinen Stall.
DOMRADIO.DE: Den Obdachlosen bieten Sie an, die Heilige Nacht in der Kirche zu verbringen. Wie wird dieses Angebot genutzt?
Puff: Das wird gut genutzt. Es gibt Schlafsäcke, die wir organisiert haben, die dann verteilt werden. Jeder bekommt einen Schlafsack und sucht sich einen Platz. Und damit eine gewisse Ruhe und Ordnung ist, werden Schwester Christina und ich dann auch da übernachten.
DOMRADIO.DE: Was bekommen Sie generell für eine Resonanz von den Obdachlosen?
Puff: Die Obdachlosenszene hier in Köln ist eine Community und um das GUBBIO herum hat sich eine wirkliche Gemeinde gebildet. Das sind Menschen, die zusammenstehen, die voneinander sagen: "Wir sind untereinander Seelsorgerinnen und Seelsorger, wir kümmern uns umeinander." Und das stimmt auch! ich erlebe das als eine starke Gemeinschaft und diese Gemeinschaft trägt besonders an den Festtagen.
Denn diese Weihnachtstage sind für Wohnungslose recht schwer. Das sind für viele die dunkelsten Tage des Jahres, weil dann alles wieder hochkommt – auch all das, was zerbrochen ist. Für viele ist Weihnachten richtig schrecklich.
DOMRADIO.DE: Ich habe kürzlich ein Interview mit einem Obdachlosen gelesen, der sagte: "Heiligabend bedeute ihm nichts. Ein Feiertag unterscheide sich überhaupt nicht von anderen Tagen". Wenn er aufwache, sei heute, bis er sich auf seinem Schlafplatz wieder hinlege. Und wenn er am nächsten Tag aufstehe, sei wieder heute." Das hört sich erst einmal ernüchternd an.
Puff: Ja, und theologisch richtig. Fromme Leute sagen ja, man muss im Heute Gottes leben. Man soll nicht in der Zukunft leben, nicht in der Vergangenheit. Ich glaube, das ist so eines der Beispiele, bei dem wir von den Obdachlosen auch lernen können. Wir sind immer entweder in der Vergangenheit unterwegs oder in der Zukunft. Aber im Heute zu leben, ist eigentlich genau das Richtige.
Der entscheidende Punkt ist, ob ich dieses Heute positiv gestalten kann und auch spüren kann, dass ich etwas wert bin, dass ich eine Würde habe. Gerade an Weihnachten ist das Thema Würde eine ganz entscheidende Sache für diese Menschen.
DOMRADIO.DE: Was können wir tun, wenn wir Obdachlosen begegnen, gerade auch jetzt in dieser Weihnachtszeit, auf der Straße, in der Stadt?
Puff: Ich glaube, das Wichtigste ist, ihnen zu vermitteln, dass sie einen Wert haben und eine Würde. Das bedeutet, dass man einen Moment Zeit hat für sie, dass man mal zuhört, dass man sie nicht einfach wegschiebt, dass man versucht zu verstehen.
Man kann ihnen meiner Meinung nach auch ruhig Geld geben, weil alles andere immer so bürgerlich gut gemeint ist: "Ich kaufe Ihnen ein Brötchen ..." Die kriegen manchmal gar kein Brötchen runter. Und ja, manche brauchen vielleicht auch einen Schnaps. Im Vordergrund sollte stehen, einfach auf sie einzugehen und sie als Mensch zu sehen.
Das Gespräch führte Carsten Döpp.