Gänswein kritisiert deutschen Weg bei Kirchenaustritten

"Schwert der Exkommunikation ist korrekturbedürftig"

Kurienerzbischof Georg Gänswein fordert von der deutschen Kirche ein Ende der Exkommunikation bei Kirchenaustritten. Zudem äußerte er sich zur möglichen Übernahme eines Bischofssitzes.

Erzbischof Georg Gänswein / © Andreas Gebert (dpa)
Erzbischof Georg Gänswein / © Andreas Gebert ( dpa )

"Das scharfe Schwert der Exkommunikation bei Kirchenaustritt ist unangemessen und korrekturbedürftig", sagte der Sekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI. und Präfekt des päpstlichen Hauses unter Papst Franziskus der "Schwäbischen Zeitung".

Übertriebene Handhabe

Es sei übertrieben und nicht nachvollziehbar, dass man nicht mehr Teil der Kirche sei, wenn man die Kirchensteuer nicht mehr zahlen wolle, fügte der 59-Jährige hinzu. "Man kann Dogmen infrage stellen, das tut keinem weh, da fliegt keiner raus. Ist denn das Nichtbezahlen von Kirchensteuer ein größeres Vergehen gegen den Glauben als Verstöße gegen Glaubenswahrheiten?", fragte er.

Gänswein beklagte zudem eine mangelnde Glaubensstärke und Ausstrahlung der Kirche in Deutschland. Während die Kassen klingelten, würden die Kirchenbänke immer leerer. "Wem ist gedient, wenn eine Diözese superreich ist, aber der Glaube nach und nach versickert?", fragte er.

Diskussion über Kirchenfinanzierung anregen

Es müsse die Frage diskutiert werden, ob die Kirchensteuerpflicht die einzig richtige und angemessene Form der Finanzierung kirchlicher Aufgaben sei. "Das viele Geld ermöglicht vieles, birgt in sich aber immer Erstickungsgefahr."

Keine Ambitionen auf Bischofssitz

Gänswein hegt nach eigenen Worten keinerlei Ambitionen, einen deutschen Bischofssitz einzunehmen. "Glauben Sie, dass ein Domkapitel, sollte jemals mein Name dort erscheinen, mich wählen würde? Wohl kaum. Das tut mir auch gar nicht weh", sagte der Kurienerzbischof. "Das kirchliche Establishment
hat von mir ein negatives Bild. Zu deren Liebling gehöre ich nicht."

"Kainsmal"

Als langjähriger Mitarbeiter der Glaubenskongregation, als Sekretär von Kardinal Ratzinger und Papst Benedikt, trage er offensichtlich ein "Kainsmal", fügte der aus dem Schwarzwald stammende Gänswein hinzu. "Es ist irgendwie gelungen, mich in der Öffentlichkeit als Rechtsaußen oder Hardliner abzustempeln, ohne dafür je konkrete Beispiele zu nennen." Umgekehrt seien "die Domkapitel sind ja auch nicht gerade Ansammlungen höchster Loyalität Rom gegenüber."

In der katholischen Kirche Deutschlands haben die Domkapitel außerhalb Bayerns bei der Auswahl der Bischöfe gewisse Mitspracherechte.

Papst Franziskus mitunter "flapsig"

Über Papst Franziskus äußerte sich Gänswein in dem Interview auch. Nach den Worten des Kurienerzbischofs rede dieser "zuweilen etwas unpräzise, ja flapsig". Das führe zu gelegentlicher Konfusion und Unsicherheiten, sagte der gebürtige Schwarzwälder. "Es ist seine Art, so zu reden, auch auf die Gefahr hin, dass das Anlass zu Missverständnissen, mitunter auch zu abenteuerlichen Interpretationen gibt." Dies hänge auch mit der Medienberichterstattung zusammen.

Der 59-Jährige betonte zugleich, dass es zwischen Papst Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt XVI. hinsichtlich der Grundlinien ihrer theologischen Überzeugung eine Kontinuität gebe. Er halte seine frühere Aussage nach wie vor für richtig, dass in der Theologie kein Blatt Papier zwischen die Ansichten beider passe. Papst Franziskus ziehe das, wovon er überzeugt ist, unbeirrt durch und nehme auch keine Rücksicht auf Political Correctness. "Er wird auch weiterhin kein Blatt vor den Mund nehmen." Dadurch habe er für die Kirche viel Sympathie gewonnen.

Blick zurück auf die Familiensynode

Mit Blick auf die zurückliegende Weltbischofssynode zu Familienfragen räumte Gänswein ein, dass es unterschiedliche Positionen in der Kirche zu Fragen von Familie, Ehe und Sexualität gebe. Von der Aussage, dass ein Riss durch die Kirche gehe, halte er allerdings nicht viel. "Der Wahrheit halber ist aber auch hinzuzufügen, dass einige Bischöfe wirklich Sorge haben, dass das Lehrgebäude durch den Mangel an glasklarer Sprache Einbußen erleiden könnte."

Gänswein forderte klare Festlegungen in der Lehre der Kirche. Nach den Worten des Kurienerzbischofs sind Unsicherheiten, gelegentlich auch Konfusionen und ein Durcheinander in der Kirche gewachsen. "Wenn ein Papst in der Lehre etwas ändern will, dann muss er das deutlich sagen, damit das auch verbindlich ist", sagte er. "Wichtige Lehrauffassungen lassen sich nicht durch Halbsätze oder etwas offen formulierte Fußnoten verändern." Aussagen, die unterschiedliche Interpretationen ermöglichten, seien eine riskante Sache.


Quelle:
KNA