DOMRADIO.DE: Wenn ich an Pflanzen in der Bibel denke, fällt mir als allererstes der brennende Dornbusch ein. An welches Gestrüpp denken Sie denn?
Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Ich denke da an gar nichts Konkretes. In der Bibel steht da tatsächlich nur der brennende Dornbusch. Je nachdem, welche Übersetzung man in späteren Zeiten von diesem Bibeltext hatte, wurde daraus eine Brombeere oder eine Distel oder eine Heckenrose – je nachdem, aus welchem Land der Übersetzer stammte und welche Pflanze er für dornig genug empfunden hat.
DOMRADIO.DE: Bis die Bibel ins Deutsche übersetzt worden ist, waren ja schon zig Übersetzer am Werk gewesen. Was haben die gemacht, wenn sie die eine Pflanze nicht gekannt haben?
Peters-Reimann: Die haben es einfach ganz klar übersetzt und sie sind gleich zu Anfang schon darauf reingefallen, so wie die meisten von uns. Beim Baum der Erkenntnis steht nämlich nur, dass es ein Baum ist, der Früchte trägt. Mehr steht da in der Bibel im Originaltext tatsächlich nicht.
Und die Übersetzer, die jetzt sage ich mal, in Europa zu Hause waren, haben gedacht, was ist ein Baum, der Früchte trägt? Das ist bei uns gebräuchlicher Weise der Apfelbaum. Aber den gibt es im Land Israel zu dieser Zeit überhaupt noch nicht. Und deshalb ist es eigentlich kein Apfelbaum.
Man wird wohl davon ausgehen können, dass es ein Feigenbaum war und eine Feige von Eva ihrem Adam zum Probieren angeboten worden ist.
DOMRADIO.DE: Das erklärt vielleicht auch diesen Lendenschurz, den die dann getragen haben.
Peters-Reimann: Ein Apfelblättchen wäre vielleicht auch ein bisschen knapp geworden, um die Nacktheit von Adam und Eva zu verdecken. Da war ein Feigenblatt doch ein bisschen größer.
DOMRADIO.DE: Lesen Sie als Gartenhistorikerin die Bibel auch als einen Bericht über die Kulturpflanzen von damals?
Peters-Reimann: Absolut. Das ist natürlich erst mal eine Glaubenserfahrung, die die Menschen mit ihrem Gott machen, den man in der Bibel liest. Aber es ist eben auch sehr spannend zu sehen, welche Kulturpflanzen in der Zeit der Bibel angebaut wurden. Man findet in der Bibel an die 130 Pflanzenarten, die dort erwähnt werden. Das ist ja auch ganz klar. Die Leute hatten ja früher keinen Supermarkt, in dem sie einkaufen konnten. Deshalb waren Ernährungspflanzen ganz besonders wichtig.
Es gibt sieben Arten, die für die Menschen in der Bibel ganz besonders wichtig waren, um sich zu ernähren: Das sind Getreide wie Weizen und Gerste, natürlich die Weinpflanze, der Feigenbaum, der Olivenbaum, der Granatapfel und der Ölbaum. Und die siebte Art ist eigentlich keine Pflanze. Das ist der Honig, der vieles süß macht.
DOMRADIO.DE: Also, sie spielen eine besondere Rolle und haben deswegen einen besonderen Begriff bekommen?
Peters-Reimann: Ganz genau. Das waren die wichtigsten Pflanzen, mit denen man sich ernährt hat und deshalb haben sie diese Bezeichnung bekommen "die sieben Arten". Sehr schöne Geschichte ist übrigens auch die vom Granatapfel. Ich frage dann immer gerne in meinen Vorträgen, wie viele Kerne hat der Granatapfel? Die Bibel weiß da tatsächlich Rat und sagt: Der Granatapfel hat 613 Kerne, und zwar genauso viele, wie das Alte Testament Gesetze enthält. Aber ich habe sie jetzt nicht nachgezählt.
DOMRADIO.DE: Hat der Granatapfel nicht auch irgendetwas mit Fruchtbarkeit zu tun?
Peters-Reimann: Genau. Der Granatapfel ist das Zeichen der Fruchtbarkeit, des Frühlings und des Lebensunterhaltes, den die Menschen auch mit der Frucht des Granatapfels bestreiten. Und sehr schön ist auch: Im Hohen Lied der Liebe im Alten Testament wird die Freundin beschrieben mit "Ihre Wangen sind so rot wie die Scheibe vom Granatapfel". Das kann man sich gut vorstellen.
Das Interview führte Clemens Sarholz.