Gartenhistorikerin räumt mit biblischer Pflanzenwelt auf

Abhängig von Übersetzung

Pflanzen wie der Dornbusch spielen eine wichtige Rolle in der Bibel. Doch einiges an der beschriebenen Flora könne nicht stimmen, so die Gartenhistorikerin Antje Peters-Reimann. Wurde Adam und Eva gar ein Feigenbaum zum Verhängnis?

Adam und Eva im Garten Eden / © jorisvo (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wenn ich an Pflanzen in der Bibel denke, fällt mir als allererstes der brennende Dornbusch ein. An welches Gestrüpp denken Sie denn?

Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Ich denke da an gar nichts Konkretes. In der Bibel steht da tatsächlich nur der brennende Dornbusch. Je nachdem, welche Übersetzung man in späteren Zeiten von diesem Bibeltext hatte, wurde daraus eine Brombeere oder eine Distel oder eine Heckenrose – je nachdem, aus welchem Land der Übersetzer stammte und welche Pflanze er für dornig genug empfunden hat.

DOMRADIO.DE: Bis die Bibel ins Deutsche übersetzt worden ist, waren ja schon zig Übersetzer am Werk gewesen. Was haben die gemacht, wenn sie die eine Pflanze nicht gekannt haben?

Antje Peter-Reimanns

"Beim Baum der Erkenntnis steht nur, dass es ein Baum ist, der Früchte trägt."

Peters-Reimann: Die haben es einfach ganz klar übersetzt und sie sind gleich zu Anfang schon darauf reingefallen, so wie die meisten von uns. Beim Baum der Erkenntnis steht nämlich nur, dass es ein Baum ist, der Früchte trägt. Mehr steht da in der Bibel im Originaltext tatsächlich nicht.

Adam und Eva im Paradies (KNA)
Adam und Eva im Paradies / ( KNA )

Und die Übersetzer, die jetzt sage ich mal, in Europa zu Hause waren, haben gedacht, was ist ein Baum, der Früchte trägt? Das ist bei uns gebräuchlicher Weise der Apfelbaum. Aber den gibt es im Land Israel zu dieser Zeit überhaupt noch nicht. Und deshalb ist es eigentlich kein Apfelbaum.

Man wird wohl davon ausgehen können, dass es ein Feigenbaum war und eine Feige von Eva ihrem Adam zum Probieren angeboten worden ist.

DOMRADIO.DE: Das erklärt vielleicht auch diesen Lendenschurz, den die dann getragen haben.

Antje Peters-Reimann

"Ein Apfelblättchen wäre vielleicht auch ein bisschen knapp geworden, um die Nacktheit von Adam und Eva zu verdecken."

Peters-Reimann: Ein Apfelblättchen wäre vielleicht auch ein bisschen knapp geworden, um die Nacktheit von Adam und Eva zu verdecken. Da war ein Feigenblatt doch ein bisschen größer.

Symbolbild Eine Frau liest in der Bibel / © shine.graphics (shutterstock)
Symbolbild Eine Frau liest in der Bibel / © shine.graphics ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Lesen Sie als Gartenhistorikerin die Bibel auch als einen Bericht über die Kulturpflanzen von damals?

Peters-Reimann: Absolut. Das ist natürlich erst mal eine Glaubenserfahrung, die die Menschen mit ihrem Gott machen, den man in der Bibel liest. Aber es ist eben auch sehr spannend zu sehen, welche Kulturpflanzen in der Zeit der Bibel angebaut wurden. Man findet in der Bibel an die 130 Pflanzenarten, die dort erwähnt werden. Das ist ja auch ganz klar. Die Leute hatten ja früher keinen Supermarkt, in dem sie einkaufen konnten. Deshalb waren Ernährungspflanzen ganz besonders wichtig.

Es gibt sieben Arten, die für die Menschen in der Bibel ganz besonders wichtig waren, um sich zu ernähren: Das sind Getreide wie Weizen und Gerste, natürlich die Weinpflanze, der Feigenbaum, der Olivenbaum, der Granatapfel und der Ölbaum. Und die siebte Art ist eigentlich keine Pflanze. Das ist der Honig, der vieles süß macht.

DOMRADIO.DE: Also, sie spielen eine besondere Rolle und haben deswegen einen besonderen Begriff bekommen?

Antje Peter-Reimanns

"Die Bibel sagt: Der Granatapfel hat 613 Kerne, genauso viele, wie das Alte Testament Gesetze enthält."

Peters-Reimann: Ganz genau. Das waren die wichtigsten Pflanzen, mit denen man sich ernährt hat und deshalb haben sie diese Bezeichnung bekommen "die sieben Arten". Sehr schöne Geschichte ist übrigens auch die vom Granatapfel. Ich frage dann immer gerne in meinen Vorträgen, wie viele Kerne hat der Granatapfel? Die Bibel weiß da tatsächlich Rat und sagt: Der Granatapfel hat 613 Kerne, und zwar genauso viele, wie das Alte Testament Gesetze enthält. Aber ich habe sie jetzt nicht nachgezählt.

DOMRADIO.DE: Hat der Granatapfel nicht auch irgendetwas mit Fruchtbarkeit zu tun?

Peters-Reimann: Genau. Der Granatapfel ist das Zeichen der Fruchtbarkeit, des Frühlings und des Lebensunterhaltes, den die Menschen auch mit der Frucht des Granatapfels bestreiten. Und sehr schön ist auch: Im Hohen Lied der Liebe im Alten Testament wird die Freundin beschrieben mit "Ihre Wangen sind so rot wie die Scheibe vom Granatapfel". Das kann man sich gut vorstellen.

Das Interview führte Clemens Sarholz. 

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )
Quelle:
DR