Masken gehören derzeit zum Alltagsbild, ob im Geschäft, beim Arzt oder in Bus und Bahn. Sie sollen die Übertragung des Coronavirus verhindern. Zugleich verdecken die Mund-Nasen-Masken einen Großteil des Gesichts - und erschweren so die Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden. Denn wenn der Gegenüber keine Gebärdensprache kann, bleibt Gehörlosen als eine Möglichkeit, die Worte von den Lippen abzulesen. Und auch in Gebärdensprache hilft es, das ganze Gesicht und die Mimik zu sehen.
Beate Reichertz aus der Trierer Gehörlosengemeinde hat trotz Maskenpflicht positive Erfahrungen gemacht: Arzt oder Verkäufer hätten wenn nötig - mit Abstand - die Maske kurz abgenommen, damit sie den Mund sehen konnte, berichtet sie. Komplizierter sei es beim Friseur gewesen, denn die Mitarbeiterin durfte die Maske nicht ablegen und habe die Beschreibung ihrer Wunschfrisur nicht verstanden. Sie habe es dann aufgeschrieben.
Beim Lippenlesen wird nur 30 Prozent verstanden
Transparente Masken helfen kaum; sie beschlagen und verdecken den Mund. Zudem nutzen die meisten Menschen im Alltag normale Masken. Für viele Gehörlose spielt das Lippenlesen ohnehin keine Rolle. Es ist anstrengend und führt zu Missverständnissen: Laut Deutschem Gehörlosen-Bund werden nur etwa 30 Prozent des Gesagten dabei verstanden.
Rebecca Mathes arbeitet im Büro der Gehörlosengemeinde im Bistum Trier, derzeit im Homeoffice. Sie behilft sich in der alltäglichen Kommunikation mit Hörenden damit, mit dem Finger zu zeigen oder auf dem Handy zu tippen. Moderne Technik wie Videochats und das Smartphone seien aktuell sehr hilfreich, um auch auf Distanz Kontakt zu halten. Sie gibt zu bedenken: "Eine ähnliche Extremsituation vor ein paar Jahren wäre untragbar gewesen."
Gebärdensprache nun im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
Ähnlich erlebt es auch Juliane Mergenbaum, die im Erzbistum Köln Diözesanreferentin für Menschen mit Hörbehinderung ist. "Gebärdensprache funktioniert zur Not auch mit Kamera über das Smartphone", sagt sie. In der Form habe sie während des Lockdown Kontakt zu Hörbehinderten halten und Seelsorgegespräche führen können. Inzwischen nutze sie in Einzelgespräche Visiere, die der Gemeinde gespendet worden seien und den Blick auf Gesicht und Mimik freigeben.
Nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes leben rund 80.000 Gehörlose in Deutschland. Etwa 200.000 Menschen nutzen Gebärdensprache. Bei allen zusätzlichen Herausforderungen hat die Corona-Zeit für sie auch Vorteile gebracht: "Viele Gehörlose sind begeistert, dass wichtige Sendungen im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen nun mit Gebärdensprache gezeigt werden", sagt Mergenbaum. "Das hat in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland lange gedauert."
Im Zuge der Corona-Pandemie zeigen mehr Sender Nachrichten- und Infosendungen oder wichtige Pressekonferenzen live in Gebärdensprache. Dabei steht dann ein Gebärdensprachdolmetscher neben dem Politiker, Moderator oder Wissenschaftler und übersetzt. So gut das Angebot ankommt, hilfreicher wäre es, wenn nicht nur die Aussagen der Sprecher, sondern alles, was gesagt wird, übersetzt würde, gibt Mergenbaum zu bedenken. "Der Gebärdensprachdolmetscher sollte immer auch im Bild sein." Überleitungen oder Ansagen aus dem Off werden meist nicht gedolmetscht - was es Gehörlosen unnötig erschwert, einer Sendung zu folgen.
Gerade gehörlose Senioren sind oft einsam
Hilfreich wäre auch, wenn das Bild des Dolmetschers im Fernsehen größer wäre, um die Gebärden gut zu erkennen, erklärt Mathes. Und trotz Verbesserungen ist das Verfahren oft umständlich: "Schön wäre, wenn mehr Gebärdensprachdolmetscher direkt im Fernsehen eingeblendet werden und nicht extra über das Internet dazugeschaltet werden müssen", meint Mathes. Das verkompliziere den Prozess nur unnötig für Menschen, die keinen Internetzugang haben oder sich damit nicht gut auskennen.
Das betrifft vor allem Senioren. Während viele Gehörlose sich optimistisch mit der Lage arrangierten, hinterließen die Kontaktbeschränkungen der vergangenen Wochen bei älteren Gehörlosen durchaus Spuren, mutmaßt Reichertz. Denn: "Viele Senioren in Heimen und auch zu Hause hatten niemanden, der mit ihnen in Gebärdensprache kommuniziert." Sie seien während der Besuchsverbote zwar versorgt gewesen, aber oftmals einsam.
Von Anna Fries