Im Zeitalter der schnellen Klicks und des eiligen "Wisch und Weg" auf dem Smartphone ist es eine fast schon vergessene Tugend: die Geduld. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte am Mittwochabend mehrfach zur Geduld, als sie um Verständnis für die verlängerten Corona-Einschränkungen bat: "Wir brauchen noch einmal eine Kraftanstrengung. Geduld, Solidarität und Disziplin werden noch einmal auf eine harte Probe gestellt."
Vieles deute darauf hin, dass 2021 Erleichterungen bringen werde, gerade mit Blick auf Impfstoffe. Dieser Ausblick könne helfen, "bis dahin noch die Geduld, die Solidarität aufzubringen", sagte Merkel nach dem Bund-Länder-Beschluss. Das klang wie Ende März beim seinerzeitigen Lockdown. Die Kanzlerin sagte damals, sie müsse "die Menschen in Deutschland um Geduld bitten".
Eine "schöne Tugend"
Doch was ist die Geduld eigentlich, wo kommt sie her? Papst Franziskus nennt die Geduld eine "schöne Tugend". Geduld sei das Gegenteil von Resignation. Der Geduldige nehme bewusst ein Problem auf sich. "Lässt es mich leiden? Klar, gewiss! Aber ich nehme es auf mich", so der Papst im Februar 2018.
Börsenaltmeister Andre Kostolany riet Anlegern mit Blick auf das Auf und Ab der Kurse, nicht in Panik zu verfallen: "Wer keine Geduld hat, darf nicht einmal in die Nähe der Börse gehen."
Der Duden umschreibt Geduld als "Ausdauer im ruhigen, beherrschten, nachsichtigen Ertragen oder Abwarten von etwas". Das Wort komme vom Mittelhochdeutschen (ge)dult oder Althochdeutschen (gi)dult und bedeute eigentlich: dulden.
In der Bibel kommt der Begriff mehrere Dutzend Male vor. Geduld oder Langmut ist laut dem Apostel Paulus eine "Frucht des Geistes" (Galater 5,22). Paulus rät zudem: "Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet." (Römer 12,12). Gott selbst wird als "unendlich geduldig" beschrieben (Psalm 103).
Geduld in der Religion
Dem Frankfurter Jesuiten Ansgar Wucherpfennig fällt bei dem Thema ein Satz des evangelischen Theologen Eberhard Jüngel ein: "Geduld ist der lange Atem der Leidenschaft." Wucherpfennig, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Geduld werde zwar oft als bürgerliche Tugend des Ruhehaltens verstanden. "Das ist aber nicht das Verständnis der Bibel: In der Bibel bedeutet Geduld Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit, und die Kraft dazu gibt die Hoffnung auf Gottes Welt der Gerechtigkeit."
Auch im Koran werden gläubige Muslime dazu aufgefordert, sich in Geduld zu üben. "Oh ihr, die ihr glaubt! Sucht Hilfe in Geduld und im Gebet. Wahrlich, Allah ist mit denen die geduldig sind", heißt es in der 2. Sure, Vers 153.
Doch niemand ist immer geduldig. Nicht einmal der Benediktinerpater und Bestseller-Autor christlicher Ratgeberbücher, Anselm Grün. Nachdem er sich bei einem Sturz den linken Oberarm gebrochen hatte, schrieb der 75-jährige Mönch auf Facebook: "Jetzt muss ich vor allem Geduld lernen. Denn der Arm lässt sich nicht so schnell wieder bewegen wie vorher."
Pater Anselm mag sich vielleicht mit Worten des heiligen Augustinus (354-430) trösten: "Die Belohnung für Geduld ist Geduld." Dass es schlau ist, Geduld zu haben, weiß auch BVB-Trainer Lucien Favre, der seinen Bundesligakickern nach einer Niederlage riet: "Wenn du unbedingt gewinnen willst, musst du Geduld haben."
Ein Erfolgsfaktor?
Psychologen haben die Geduld erforscht: Beim "Marshmallow-Test" bekamen vierjährige Kinder ein Stück der Schaumzucker-Süßigkeit vorgesetzt. Sie hatten die Wahl, es entweder gleich zu essen oder noch ein zweites Stück zu bekommen, wenn sie auf den sofortigen Genuss verzichteten. "Belohnungsaufschub" nennt man das. Die Kinder wurden 13 Jahre nach dem Versuch nochmals eingeladen. In der Studie des US-Psychologen Walter Mischel zeigte sich, dass jene, die bereits als Vorschulkinder der Versuchung widerstehen konnten, als junge Erwachsene erfolgreicher in Schule und Ausbildung waren.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) wusste das natürlich schon längst: "Wer's Recht hat und Geduld, für den kommt auch die Zeit."