Zentralrat der Juden zweifelt an Geschichtslernfähigkeit

"Gefährliche Geschichtsvergessenheit"

der Deutschen
75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Zweifel daran geäußert, dass die Deutschen hinreichende Lehren aus der Vergangenheit gezogen haben.

Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk (shutterstock)
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk ( shutterstock )

In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte Schuster, wer in Deutschland Regierungsverantwortung trage, der wisse zwar um die andauernde Verantwortung aus der Nazizeit.

"Wenn wir Deutschland aber interpretieren als Staat mit all seinen Bewohnern und uns fragen, ob sie das ebenfalls verstanden und aus der Geschichte gelernt haben, so muss ich sagen, dass ich davon nie überzeugt war und es in der heutigen Zeit erst recht nicht bin", sagte der Zentralratspräsident.

Für Jugendliche kein aktueller Bezug

Schuster zeigte sich besorgt, dass ein gewisses Maß an Antisemitismus eine dauerhafte Tatsache zu sein scheine. Hinzu komme eine gefährliche Geschichtsvergessenheit. "Sie ist gerade bei jüngeren Menschen nicht zu leugnen.

Für sie ist der Zweite Weltkrieg gedanklich ähnlich weit entfernt wie das Kaiserreich; ein aktueller Bezug ist nicht mehr gegeben. Wenn rund die Hälfte der Jugendlichen den Begriff 'Auschwitz' nicht kennt, läuft etwas schief", beklagte er.

Aktuell 100.000 Gemeindemitglieder in Deutschland

Gleichwohl lasse sich heute in Deutschland gut leben - "auch als Jude", so Schuster. Viele Juden stünden auch außerhalb des Gemeindelebens zu ihren Wurzeln und bereicherten das Land.

Die Zahl aktueller Gemeindemitglieder gab Schuster mit rund 100.000 an. "Im Moment sehen wir einen jährlichen Rückgang von 700 bis 800. Die demografische Struktur ist da nicht ganz optimal."

Antisemitismus an Schulen

Schuster sprach sich dafür aus, die Antisemitismusforschung in Deutschland zu stärken. Unter anderem gehe es darum, Lehrern ein besseres Rüstzeug an die Hand zu geben.

"Fragen Sie mal einen Lehrer, was er machen würde, wenn ein Schüler auf dem Schulhof einen anderen als Jude beschimpft. Wenn die Lehrer ehrlich sind, werden viele sich nicht zu helfen wissen und darüber hinweggehen."

 

Josef Schuster / © Paul Zinken (dpa)
Josef Schuster / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
KNA