Es sei nicht schlimm, in der Kirche miteinander zu ringen, solange man sachlich diskutiere und gemeinsam zu Ergebnissen komme. In Kirche und Gesellschaft herrscht derzeit ein "Un-Geist" des Gegeneinanders und der Anfeindungen, konstatierte Kölns Stadtdechant Msgr. Robert Kleine in seiner Predigt am Pfingstsonntag. In der Basilika der Kölner Stadtpatronin, St. Ursula, appellierte Kleine daran, gemeinsam den richtigen Weg zu suchen, um den Herausforderungen und Anfragen der Zeit zu begegnen. Vor allem für die Kirche gelte es, in Gemeinschaft und mit neuer Strahlkraft Angst, Resignation und das Gegeneinander zu überwinden.
Mit Blick auf die jetzt von Papst Franziskus angekündigte zweijährige weltweite Synode unter dem Leitwort "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission" sagte der Stadtdechant: "Wie schön wäre es, wenn auch die Bischofskonferenz ein solches Zeichen geben und sagen würde: 'Wir in Köln, Passau, Regensburg, wir Osnabrücker, Hamburger und Berliner, wir alle versuchen gemeinsam – und zwar mit dem Volk – Gottes große Taten zu verkünden.'" Es gehe nicht darum, sich im Recht zu fühlen und auf seinem vermeintlichen Recht zu beharren, sondern darum, auch andere Meinungen zu hören und zu verstehen. Es sei nicht schlimm, in der Kirche miteinander zu ringen, solange man sachlich diskutiere, sich austausche und dann gemeinsam zu Ergebnissen komme.
Gemeinschaft statt Schisma
"Wo ist die Begeisterung?", fragte Kleine mit Blick auf die Kirche von heute. Er habe das Gefühl, dass viele in der Kirche resignativ seien. Es sei die Rede von einem Riss, von Spaltung und von einem Schisma, "und es geht doch eigentlich darum, gemeinsam Leib Christi zu sein", betonte Kleine. Dabei gehe es nicht um Gleichschaltung und Gleichmacherei, sondern darum, dass jeder Mensch in seinem Lebensbezug, aus seiner Sozialisation sowie auf seinem Lebens- und Glaubensweg den Geist Gottes spüren und sich von Gottes Botschaft ansprechen lassen könne. "Das ist doch der Auftrag der Kirche: Dafür zu sorgen, dass in unserer Zeit Menschen sich ansprechen lassen von diesem Angebot der Frohen Botschaft, dass sie sich anstecken lassen von dem Glauben an einen Gott, der die Liebe ist", sagte der Stadtdechant. Doch manchmal habe er das Gefühl, "dass das auch innerhalb unserer Kirche so gar nicht mehr gesehen wird, sondern dass alles in eine Form gepresst werden muss".
Feindseligkeit prägt das gesellschaftliche Klima
Kleine nahm nicht nur die Kirche in den Blick, sondern auch das aktuelle gesellschaftliche Klima, das vor allem auch durch das Internet und die sozialen Medien von Gegeneinander, Anfeindungen und Feindesligkeit geprägt sei. Online sei es für viele Menschen leicht, ihren gesamten Hass herauszulassen, zumal dies oft anonym und ohne Angabe des realen Namens möglich und somit einfach sei. Es treffe beispielsweise Politiker, Virologen oder den Nachbarn. "Während das früher die sogenannten Stammtischparolen waren, die aber nur die mitbekamen, die am Stammtisch saßen, ist das alles jetzt in der Welt und bleibt dort."
Gleiches gelte für die Medien, kritisierte Kleine, ohne ausdrücklich Medienschelte betreiben zu wollen. Aktuell werde veröffentlicht, was an Informationen tatsächlich oder vermeintlich vorhanden sei, oft würden dabei auch die Namen von Betroffenen genannt. Wer sich dagegen wehre und seine eigene Sicht darstellen wolle, werde oft kaum wahrgenommen. "Die Zeitung mit den großen Buchstaben haben tausende gelesen, die Darstellung, wie man selber das sieht, hören nur wenige."
Lebendiger Geist und neue Aufbrüche
Am Anfang des biblischen Pfingstereignisses standen für die Jünger Jesu Angst und Resignation, erinnerte Kleine. Sie hatten sich mit Jesu Mutter Maria eingeschlossen aus Furcht, ihnen könne ein ähnliches Schicksal drohen wie Christus selbst. "Doch dann kommt der Geist Gottes, der Funke und die Begeisterung springen über, es weht ein neuer Wind." Die Jünger werden innerlich befreit und sind in der Lage, so zu allen Menschen zu sprechen, dass jeder sie versteht.
Diese Begeisterung sollte sich in der Kirche fortsetzen durch die Jahrtausende, so Kleine. Doch es habe immer wieder auch Zeiten gegeben, in denen von dieser Begeisterung nichts zu spüren gewesen sei. Sei es, weil man "satt und selbstzufrieden" war, sei es bedingt gewesen durch äußere Umstände wie gesellschaftliche Umbrüche, etwa die Säkularisation, oder Revolutionen. "Und doch war der Geist stärker", sagte der Stadtdechant. "Und die Kirche ist eben nicht untergegangen." In den unterschiedlichsten Regimen und Herrschaftsformen sei sie lebendig geblieben. "Immer wieder bricht sie sich Bahn. Wir haben es in unserem Land auch erlebt, in der damaligen DDR, oder wenn wir nach Russland schauen, dass das Christentum sich dort bewahrt hat, im Kleinen meist, aber mit Begeisterung." Diesen lebendigen Geist und neue Aufbrüche wünscht der Kölner Stadtdechant der Kirche und den Gläubigen von heute.