Gegner der Todesstrafe drängen US-Präsident auf Dutzende Begnadigungen

Letzte Hoffnung Joe Biden

Die 40 Todeskandidaten in US-Bundesgefängnissen bangen bei der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus um ihr Leben. Mit einer Begnadigung könnte der scheidende Präsident Joe Biden sie vor dem Henker retten.

Autor/in:
Thomas Spang
Joe Biden / © Ben Curtis (dpa)
Joe Biden / © Ben Curtis ( dpa )

In den Todeszellen der US-Bundesgefängnisse herrscht die Angst, so berichtet es Angela Elleman dem "Rolling Stone"-Magazin. Die Anwältin vertritt Charles Hall, der auf eine Begnadigung durch Joe Biden hofft. Der scheidende Präsident hat es in der Hand, in der Restlaufzeit seiner Präsidentschaft die Hinrichtungen an den insgesamt 40 unter Bundesrecht zum Tod verurteilten Gefangenen zu verhindern.

Halls, ein verurteilter Mörder, sitzt wie die Mehrzahl der Todeskandidaten im Bundesgefängnis Terre Haute in Indiana ein. In einer Zelle, die nur knapp sechs Quadratmeter misst. Sein drohendes Schicksal und das der anderen Verurteilten hat eine Koalition mobilisiert, die eine Umwandlung ihrer Todesstrafen in lebenslange Haft fordert. 

Zum Bündnis der Todesstrafen-Gegner gehören ehemalige Gefängnisbeamte, Geschäftsleute, Angehörige von Mordopfern, Bürgerrechtsaktivisten, religiöse Führer sowie das "Catholic Mobilizing Network" (CMN). Sie habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich Biden bei seiner Entscheidung von seinen religiösen Überzeugungen leiten lasse, so CMN-Geschäftsführerin Krisanne Vaillancourt Murphy.

Auch Papst Franziskus fordert Begnadigung

Selbst Papst Franziskus ging Anfang des Monats in einer Ansprache auf das Thema ein. Er bete für eine Begnadigung der Todeskandidaten und eine Umwandlung in lebenslange Haftstrafen. Hinrichtungen widersprechen inzwischen grundsätzlich der katholischen Lehre über die Heiligkeit des Lebens. In seiner Enzyklika "Fratelli tutti" von 2020 bezeichnete Franziskus die Todesstrafe als unzulässig.

Bari: US-Präsident Joe Biden, begrüsst Papst Franziskus, zum G7 Gipfel / © Michael Kappeler (dpa)
Bari: US-Präsident Joe Biden, begrüsst Papst Franziskus, zum G7 Gipfel / © Michael Kappeler ( dpa )

Biden, ein praktizierender Katholik, war der erste US-Präsident, der öffentlich gegen Hinrichtungen Position bezog. 2020 versprach er, "daran zu arbeiten, Gesetze zur Abschaffung der Todesstrafe auf Bundesebene zu verabschieden" - ein nicht einhaltbares Versprechen. 

Der britische Unternehmer Richard Branson, einer der hundert Geschäftsleute in der Koalition, hält Biden zugute, dass er nie die nötigen Mehrheiten für ein Gesetz hatte. Umso dringender sei es nun, seine Vollmachten als Präsident zu nutzen. "Dies ist seine letzte Chance, im Geist seines Wahlkampfversprechens zu handeln." Amtsnachfolger Donald Trump hätte keine Möglichkeit, eine solche Entscheidung rückgängig zu machen.

Moratorium schon seit 2021

Biden setzte während seiner Amtszeit die Hinrichtungen in Bundesgefängnissen aus. 2021 verfügte sein Generalstaatsanwalt Merrick Garland ein entsprechendes Moratorium. Seitdem gab es keine Exekutionen auf Bundesebene mehr.

In Alarm versetzte die Hinrichtungsgegner hingegen das Wahlkampf-Programm der Demokraten vom August. Erstmals seit 20 Jahren tauchte die Todesstrafe mit keinem Wort in dem Dokument auf. Wie die "Washington Post" unter Berufung auf anonyme, an den Gesprächen beteiligte Informanten berichtet, wird im Weißen Haus jedoch über die Umwandlung zumindest einiger Todesurteile diskutiert.

Biden steht nicht zuletzt wegen der Begnadigung seines Sohnes Hunter Anfang des Monats unter Druck. Eine Einzelfallentscheidung des Präsidenten gegenüber seinem Sohn, der wegen Waffendelikten und Steuerhinterziehung schuldig gesprochen wurde. Bidens Pressesprecherin im Weißen Haus, Karine Jean-Pierre, sagte der Zeitung, der Präsident denke "sehr ernsthaft" über weitere Begnadigungsverfahren nach.

Biden wäre der Erste

Noch kein US-Präsident hat Massenbegnadigungen für zum Tode Verurteilte in Bundesgefängnissen verfügt. Einzelne Gouverneure taten dies jedoch. 2022 wandelte die Demokratin Kate Brown alle 17 Todesurteile in ihrem Bundesstaat Oregon in lebenslange Haftstrafen um. In North Carolina drängen Todesstrafen-Gegner den demokratischen Gouverneur Roy Cooper, der wie Biden in wenigen Wochen aus dem Amt scheidet, alle 136 verhängten Hinrichtungen aufzuheben.

Die Ehefrau von Präsident Emmanuel Macron, Brigitte Macron (Mitte l), unterhält sich mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump (Mitte r), während sie zusammen mit der Tochter von US-Präsident Joe Biden, Ashley Biden, links, der First Lady Jill Biden, zweite von links, und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame in der Kathedrale sitzen. / © Ludovic Marin/POOL AFP/AP (dpa)
Die Ehefrau von Präsident Emmanuel Macron, Brigitte Macron (Mitte l), unterhält sich mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump (Mitte r), während sie zusammen mit der Tochter von US-Präsident Joe Biden, Ashley Biden, links, der First Lady Jill Biden, zweite von links, und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame in der Kathedrale sitzen. / © Ludovic Marin/POOL AFP/AP ( dpa )

Trump vollzog in seiner ersten Amtszeit einen Schwenk in die andere Richtung. Er gab nach 17 Jahren, in denen keine Todesstrafe auf Bundesebene verhängt wurde, grünes Licht für die Henker. Sie vollstreckten Urteile in 13 Fällen - manche wenige Tage vor Ende von Trumps Amtszeit. Nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus will er weitere Verurteilte hinrichten lassen.

Vor diesem Hintergrund setzt Krisanne Vaillancourt Murphy, langjährige Kämpferin gegen die Todesstrafe, ihre ganze Hoffnung auf Biden. Er sei katholisch und nehme seinen Glauben ernst, ist sie überzeugt. Er befinde sich am Ende seiner Amtszeit und "denkt wahrscheinlich über sein Vermächtnis nach".

Quelle:
KNA