DOMRADIO.DE: Wie historisch ist denn dieses Wahlergebnis? War das jetzt wirklich die wichtigste Wahl aller Zeiten in den USA.
Klaus Prömpers (Journalist und USA-Experte): Selbst in den USA würde ich nicht unbedingt sagen, es war die allerwichtigste Wahl aller Zeiten. Das wird sich aber jetzt im Laufe der vier Jahre Regentschaft, wenn man so sagen darf, von Donald Trump herausstellen, wie wichtig und bedeutend diese "Präsidentschaft Nummer zwei" sein wird. Es wird sich herausstellen, ob er sich an demokratische Spielregeln hält oder nicht?
Man darf von vornherein eigentlich unterstellen, er wird sich in vielen Fällen nicht daran halten. Und er wird dann unter Umständen erstens mit dem Berufsbeamtentum konfrontiert werden, das es in den USA gibt und das er nicht gänzlich wird abschaffen können. Er wird auch selbst mit den Richtern konfrontiert sein, die von ihm am Supreme Court, also dem Obersten Gericht, eingesetzt worden sind. Die werden ihm auch nicht alles durchgehen lassen, denke ich.
Und dann gibt es auch noch den Kongress. Zwar hat er die Mehrheit im Senat schon sicher, im Repräsentantenhaus auch hoch wahrscheinlich. Aber selbst im Senat sitzen mindestens ein paar Abgeordnete, die sagen werden: Moment mal, das geht zu weit. Die sind zwar Republikaner, aber sie fühlen sich der Verfassung – und nicht Donald Trump – verpflichtet.
DOMRADIO.DE: Wenn man in den historischen Kontext guckt, wird ja nicht erst Trump kritisiert. Erinnern wir uns zum Beispiel mal an George W. Bush und den Krieg im Irak. Da wurden ihm ja in vielen Kreisen zum Beispiel Kriegsverbrechen vorgeworfen. Wenn man das wirklich versucht, historisch einzuordnen: Ist Trump wirklich so viel schlimmer? Oder ist die Aufregung größer, weil es jetzt gerade aktuell ist?
Prömpers: Er ist zweifelsohne sehr viel schlimmer, weil er im Grunde Dinge sagt, die schlicht falsch sind. Das liegt in der Zeit bedingt, in der das Internet mittlerweile für viele Menschen zur Hauptquelle aller Informationen geworden ist. Dazu kommt, dass 54 Prozent aller Amerikaner unlängst in einer Umfrage erklärt haben, dass sie politische Informationen gar nicht mehr wahrnehmen wollen. Sie kümmern sich nicht darum, sie schauen weg, sie hören weg.
Dazu kommt, es gibt einen Trend zum starken Führer. Den gibt es ja in Europa wie in Amerika. Der starke Führer möge es richten. Viertens muss man sagen, seit den 1980er-Jahren gibt es einen Trend zu den Republikanern und zu den, fast möchte ich sagen, Demokratie aushöhlenden Herrschaftsformen, die sie praktiziert haben. Das begann mit Ronald Reagan, und das ging weiter über Bush und ist jetzt bei Trump gelandet. Und bei der zweiten Amtszeit Trumps. Das lässt nichts Gutes ahnen.
Die uralte Vorbildfunktion, die die Amerikaner für uns nach dem Zweiten Weltkrieg als "Mutter der Demokratie" gebildet haben, könnte dabei kaputtgehen.
DOMRADIO.DE: Aktuell gibt es weltweit den Trend zu autoritären Herrschaftssystemen. Wenn wir uns aber den amerikanischen Trend über die Jahrzehnte angucken, dann ist das eher ein Symptom der Spaltung – Trump als der Ursprung der Spaltung. Woher kommt aber diese Spaltung an sich? Warum ist dieses Land seit Jahrzehnten mehr und mehr so zerstritten, dass man sich eigentlich kaum noch in die Augen gucken kann?
Prömpers: Das hat im Grunde meines Erachtens zwei Ursachen. Die eine Ursache ist die, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen ist, in einem unvorstellbaren Ausmaß.
Wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass am Tag unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump zehn der reichsten Menschen auf der Welt, davon nur ein Europäer, nämlich Bernard Arnault, 63,5 Milliarden US-Dollar Vermögenszuwachs erzielt haben, dann ist das eine Summe, die sich keiner von uns wirklich vorstellen kann. Diese zehn Leute haben in einem Tag durch die Wahl von Trump mit der Aussicht auf dessen angeblich bessere Wirtschaftspolitik so viel in ihrem Vermögen zugelegt.
Die Schere zwischen Arm und Reich ist der eine Grund. Der zweite Grund ist: 1984 hat Ronald Reagan als Präsident das Fairnessgebot für die Journalistik gekippt. Darauf wurde dann auch noch die Verpflichtung oder die Maßgabe gekippt, dass man nicht mehr als ungefähr fünf Radiostationen, drei TV-Stationen haben sollte. Die Eigentümer sollten also begrenzt werden, damit nicht einer von ihnen unmessbare Macht über die Medien hat.
Das wurde auch gekippt und damit trat beispielsweise Rupert Murdoch auf den Plan. Er baute sein Fox News aus, baute später weiter aus und kaufte Fernsehstudios und Filmstudios in Hollywood, kaufte sich das "Wall Street Journal" und viele andere Dinge – und hat damit einen sehr beherrschenden Einfluss. Er trat mit der Maßgabe an, unabhängig und fair zu informieren. Er tat genau das Gegenteil – sehr einseitig. Das ist bis heute so geblieben. Das polarisiert. Und das Internet natürlich auch.
DOMRADIO.DE: Eine ähnliche Spaltung sehen wir auch, wenn wir auf die kleinere Gruppe der Katholiken gucken, die sich zwar auch für Trump ausgesprochen haben, aber nicht zu 100 Prozent hinter ihm stehen. Hat sich auch da diese Spaltung über die Jahre und Jahrzehnte intensiviert?
Prömpers: Die hat sich verschärft und ist im Grunde auch durch die letzten 40 Jahre größer geworden in Blickrichtung der Republikaner. Mehr Katholiken neigen heute den Republikanern zu als den Demokraten. Das war früher ganz anders, vor 50, 60 oder 80 Jahren.
Dazu hat auch Trump beigetragen. Aber auch schon vorher gab es natürlich Anzeichen, dass sich das in die Richtung entwickelt, weil ein Teil der Katholiken in den USA, diejenigen, die beispielsweise die Frage des Rechts auf Leben oder "Pro-Life", wie man in Amerika sagt, sehr hochhängen. Die hängen das höher als beispielsweise das Recht auf soziale Gerechtigkeit und das Recht auf Asyl.
Das führt dann dazu, dass eine gespaltene Situation entsteht. Die Mehrheit der Katholiken hat sicherlich Trump gewählt, die Minderheit hat ihn nicht gewählt. Ob sie dann auch Harris gewählt hat, ist eine andere Frage.
DOMRADIO.DE: Was denken Sie, wie wird es nun weitergehen? Eigentlich hat man ja den Eindruck, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, wenn wir schon an dem Punkt sind, wo es zu politischer Gewalt, zu Attentatsversuchen kommt. Wenn wir jetzt vier Jahre in die Zukunft gucken: Wird das alles noch tiefer fallen? Oder sind wir jetzt an dem Punkt, wo Amerika das einmal erleben und durchmachen muss und dann sich aufraffen, wieder neu zusammenfinden kann?
Prömpers: Ich glaube, es ist eine wesentliche Frage, wer jetzt auf demokratischer Seite in Zukunft aufgestellt werden wird bis zu den Midterm-Elections, also in zwei Jahren, als potenzieller zukünftiger Präsidentschaftskandidat oder Kandidatin. Ich glaube nicht, dass es Kamala Harris sein wird.
Ob da ein Mensch am Horizont erscheint, der ihr für viele überzeugend und ein Vorbild sein kann, an dem man sich orientieren kann, der soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit in ein relatives Gleichgewicht bringt, was bisher bei Trump nicht zu sehen ist, dann kann sich die Situation möglicherweise etwas verbessern.
Ich fürchte aber, dass es nicht so kommt. Trump hat wieder in seiner Rede am Morgen nach der Wahl gesagt, er wolle das Land vereinen. Das hat er 2017 auch gesagt bei der Vereidigung und hat es nicht getan. Ganz im Gegenteil. Über Twitter hat er immer viel Hass und Häme ausgebreitet. Und ich fürchte, das wird auch so bleiben.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.