Geißler appelliert vor seinem Tod an Kirchen

"Gott neu denken"

In einem Presseinterview kurz vor seinem Tod hat der verstorbene CDU-Politiker Heiner Geißler die christlichen Kirchen aufgerufen, ihr Gottesbild zu überdenken. "Solch einen Gott kann es nicht geben", mahnte Geißler an.

Heiner Geißler / © Uwe Anspach (dpa)
Heiner Geißler / © Uwe Anspach ( dpa )

Die "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichte das Gespräch in der Mittwochausgabe. Das Interview fand demnach am 28. August statt. "Was soll das für ein allmächtiger Gott sein, der erst eine Welt schafft, die dann aber so schlecht ist, dass sie vom eigenen Sohn wieder erlöst werden muss?", so der frühere CDU-Generalsekretär, der als junger Mann für vier Jahre dem Jesuitenorden angehörte. Geißler verstarb am Dienstag im Alter von 87 Jahren.

"Es muss Streit geben über das Gottesbild der katholischen und protestantischen Theologie", forderte Geißler in dem Gespräch. Auf der einen Seite habe Gott demnach die Welt erschaffen wie sie ist. "Gleichzeitig hat er solch einen Pfusch geschaffen, dass er seinen eigenen Sohn in einem etwas komplizierten Manöver mit Hilfe einer Jungfrau auf die Welt gebracht hat, der dann in solidarischem Auftreten und Handeln sich an die Seite der leidenden Menschheit gestellt und alle Mühen und Leiden durchlitten hat, die andere auch erleiden, und dadurch die Welt erlöst hat."

Zerwürfnisse mit der katholischen Kirche

Wegen seines Buches "Kann man noch Christ sein, wenn man an Gott zweifeln muss" habe er erhebliche Zerwürfnisse mit der katholischen Kirche erlebt. "Aber die reden mit mir darüber nicht." Gleichzeitig wolle er keinen Streit mit seinen früheren Lehrern, weil er "fürchte, dass sie mir in vielen Punkten nicht Recht geben können, aber wissen, dass ich recht habe", so Geißler. Ihnen wolle er nicht wehtun. "Einem Ratzinger würde ich gerne theologisch wehtun", sagte der Politiker mit Blick auf den emeritierten Papst Benedikt XVI.

Die evangelische Kirche forderte Geißler im SZ-Interview ebenfalls zu einem Umdenken auf: "Die müssen dringend theologische Veränderungen vornehmen, etwa die Erbsündenlehre von Luther auf den Abfall der Geschichte schmeißen." Auch mit evangelischen Vertretern habe er Auseinandersetzungen gehabt.

Kardinal Marx würdigt Geißler

Unterdessen würdigten die Repräsentanten beider Kirchen am Dienstag den Verstorbenen als markante Figur im geistig-politischen Leben der Bundesrepublik. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte ihn einen überzeugten Demokraten und leidenschaftlichen Politiker "mit klaren aber auch streitbaren Positionen". Die Politik in Deutschland habe er lebendig gehalten. "Mit Heiner Geißler, einem großen Kopf, habe ich gerne gestritten", so Marx.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, schrieb auf Facebook über Geißler: "Er hatte wirklich etwas zu sagen. Und selbst da, wo er zuweilen in der Schärfe der Kritik überzog, lohnte es sich immer, über deren Kern nachzudenken."


Quelle:
KNA
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