Geistliche Stunde in Köln mit der Theologin Schlosser

"Der Glaube war niemals einfach"

Mit großen Herausforderungen kämpfen zu müssen, sei Teil der priesterlichen Berufung, sagte die Theologin Marianne Schlosser anlässlich des Kölner Oasentages. Sie ermutigte aber dazu, die Freude am Dienst nicht zu verlieren.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti (DR)
Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti ( DR )

"Deinem Heiland, deinem Lehrer, deinem Hirten und Ernährer, Zion, stimm ein Loblied an…" Es hat schon was, wenn knapp 250 Männerstimmen den Kirchenraum mit ihrem kräftigen Gesang erfüllen.

Etwa 220 aller eingeladenen Priester, Diakone und Seminaristen sind anlässlich des traditionellen Oasentages in die Innenstadtkirche Minoriten gekommen, um sich mit einem geistlichen Impuls für ihren Dienst in den Gemeinden, aber auch den unterschiedlichsten Leitungsämtern stärken zu lassen.

Bei seiner Begrüßung verweist Kardinal Woelki darauf, dass diese Geistliche Stunde als fester Bestandteil des Oasentages, an dem später im Dom die heiligen Öle geweiht werden, ein großes Geschenk ist, das Kardinal Meisner seinerzeit dem Presbyterium und Diakonium hinterlassen hat.

Er erklärt, dass dieser Tag mit der Erneuerung der Weiheversprechen eigentlich am Gründonnerstag, dem Tag der Einsetzung der Eucharistie, gefeiert werden müsse, fügt aber mit einem Schmunzeln hinzu, dass sich schon Kardinal Höffner mitunter am Gründonnerstagmorgen im leeren Dom wiedergefunden habe, da zu diesem Zeitpunkt die Priester seines Bistums ganz von den Vorbereitungen auf Ostern in Anspruch genommen gewesen seien. Um aber allen die Teilnahme zu ermöglichen, sei man dazu übergegangen, die Chrisam-Messe auf den Karmontag vorzuverlegen.

Eingeladen, in diesem Jahr den geistlichen Impuls zu halten, hatte der Erzbischof Marianne Schlosser, Professorin für Theologie der Spiritualität an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, seit 2014 außerdem von Papst Franziskus berufenes Mitglied in der Internationalen Theologenkommission, seit 2016 Mitglied in der Studienkommission zum Diakonat der Frau und Beraterin der Glaubenskommission der deutschen Bischöfe sowie Trägerin des Joseph-Ratzinger-Preises.

Prof. Marianne Schlosser, Wien

"Noch immer sorgt Gott für Berufungen. Und immer noch wäscht der Sohn Gottes uns die Füße mittels der Sakramente."

Als Überschrift für ihre Betrachtung wählte Schlosser das Paulus-Wort "Seht doch auf eure Berufungen, Brüder und Schwestern" aus dem ersten Korinther-Brief, in dem auch der Apostel damals schon von Spaltungen innerhalb des Gemeindelebens geschrieben hat. Schlosser betonte gleich zu Beginn, dass Berufung immer Gnade und Geschenk sei, sie bis zum Ende gefestigt werden müsse und dass es eine große Diskrepanz zwischen dem gebe, was in der Welt und was bei Gott gelte. Gleichzeitig unterstrich sie, dass jeder, der selbst zum Diakon, Priester oder Bischof berufen sei, anderen zum Wachstum in der christlichen Berufung helfen solle. "Noch immer sorgt Gott für Berufungen", sagte sie. "Und immer noch wäscht der Sohn Gottes uns die Füße mittels der Sakramente."

Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti (DR)
Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti ( DR )

In der Patristik, den ersten frühchristlichen Jahrhunderten, sei es eher nicht Gepflogenheit gewesen, ein kirchliches Amt anzustreben, berichtete die Theologin. "Wer es von sich aus anstrebte, galt als eher ungeeignet – nicht wegen mangelnder Bescheidenheit, sondern aus Mangel an Erkenntnis." Als Vorbilder, die sich nie zu Höherem berufen gefühlt hätten, führte sie indes die prominenten Heiligen Martin von Tour, Ambrosius, Augustinus, Basilius und Karl Borromäus an.

Auch damals wurden unverblümt Gefahren unter Priestern benannt: Hochmut, Gefallsucht oder Selbstsucht. Und was die Belastung des priesterlichen Dienstes angehe, gelte es zwischen echten und eines Priesters oder Bischofs unwürdigen Sorgen zu unterscheiden, mahnte Schlosser. Es gebe Kernaufgaben und solche an der Peripherie, zitierte sie den reformeifrigen Bischof Bartholomäus von Braga aus dem 16. Jahrhundert. "Man soll nicht die Füße, die gewiss auch nicht schlecht sind, zum Kopf machen." Wer vor Sorgen und Kümmernissen nicht mehr aus noch ein wisse, solle sich fragen: Was liebst du? Woran hängt dein Herz? Ist dein Herz in rechter Weise frei für Gott? Oder bist du abhängig vom Gefallen dieses oder jenes Menschen?

Papst Benedikt XVI.

"So finden wir oft einen harten Boden und müssen unter Tränen säen, aber dennoch verheißt Jesus reiche Frucht denen, die mit ihm arbeiten."

Mitunter leide der Klerus an Kleinmut. "Dann kann es so etwas geben wie Frustration, Enttäuschung, auch Alleinsein, gefühlte Hilflosigkeit, Verzagtheit, Zweifel", führte Schlosser aus. Im Seminar sei man darauf nicht vorbereitet worden, heiße es dann. Ein Empfinden des Dünnwerdens der Beziehung zu Gott setze ein. "Der Glaube war niemals einfach, immer war er ein Weg mit Herausforderungen und Prüfungen", stellte die Theologin fest und ermutigte dazu, wieder darauf zu vertrauen, dass Gottes "Ja" stärker sei. "So finden wir oft einen harten Boden und müssen unter Tränen säen, aber dennoch verheißt Jesus reiche Frucht denen, die mit ihm arbeiten", zitierte sie Papst Benedikt.

Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti (DR)
Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti ( DR )

Dass man in seinem Dienst zu kämpfen habe, sei jedoch kein Zeichen dafür, nicht berufen zu sein. Allerdings dürfe man nicht so weit gehen, dass man sich angesichts des Skandals in der Kirche nicht mehr traue, von der Schönheit des Glaubens zu sprechen. Auch ringe man immer wieder mit der eigenen Unfähigkeit, der Desillusionierung über sich selbst. Das Entscheidende sei, die Freude, mit der man seinen Beruf ausübt, nicht zu verlieren, mahnte Schlosser. "Denn diese Freude ist ein Geschenk, die mit Dankbarkeit, Staunen und Liebe zusammenhängt." Man müsse sich hüten abzustumpfen, so dass das Herz eine Hornhaut bekomme. Also sei Vorsicht geboten, wenn eine innere Traurigkeit zu Lähmung führe.

Prof. Marianne Schlosser, Wien

"Diese pastorale Aufgabe ist kein Job wie irgendein anderer. Ein Seelsorger hat mit Seelen zu tun, mit den Schafen Christi."

Abschließend gab die Theologieprofessorin ihren Zuhörern ganz praktische Handlungsempfehlungen – auch diese an Bischof Bartholomäus angelehnt – mit auf den Weg: Wahre deine innere Unabhängigkeit! Mache dich nicht vom Lob der Menschen abhängig! Wenn du innerlich frei bist, wirst du weder aus Harmoniebedürfnis oder Trägheit die Probleme ausblenden noch deine Aufgaben überstürzt und ständig in Aufregung tun. Denk daran, für wen du arbeitest! Dann wirst du auch nicht von Beschimpfungen in den Abgrund von Traurigkeit versenkt und findest das rechte Maß zwischen persönlicher Demut und Bescheidenheit und der Achtung deines Amtes und seiner Würde, die du nicht einfach preisgeben darfst. Lass dich beraten von Personen, die ein gutes Urteil haben, und denke nicht selbstsicher, dass du alles schon weißt! Aber sei nicht nachgiebig gegenüber Leuten, die dich zu etwas drängen wollen, was du vor Gott nicht verantworten kannst!

Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti (DR)
Geistliche Stunde und Chrisammesse im Erzbistum Köln / © Beatrice Tommasetti ( DR )

Schließlich betonte die Referentin die Bedeutung des Gebetes. Denn es sei "Glaube im Vollzug". Beten sei im Leben eines Seelsorgers keine zusätzliche Last, die auch noch in einem vollgestopften Tag untergebracht werden müsse, sondern die Quelle, um überhaupt die pastorale Aufgabe erfüllen zu können. "Denn diese ist kein Job wie irgendein anderer. Ein Seelsorger hat mit Seelen zu tun, mit den Schafen Christi."

Quelle:
DR