Der christliche Glaube wird durch das persönliche Zeugnis weitergegeben. So erzählt Papst Franziskus immer wieder davon, wie sehr seine tiefgläubige Großmutter Rosa seinen persönlichen Glaubensweg geprägt hat.
Starke Katechese
Sie war eine starke Frau aus einer armen piemontesischen Bauernfamilie. Als Kind erzählte sie dem späteren Papst von Jesus und brachte ihm den Katechismus bei. Am Abend des Karfreitag nahm sie ihre Enkel zur Kerzenprozession mit und ließ sie am Ende dieser Prozession vor dem im Grab liegenden Christus niederknien. Dabei erklärte sie den Kindern: "Seht, er ist tot, aber morgen wird er auferstehen."
Daran mag sich der Papst erinnert haben, als er im vergangenen Mai feierlich den Dienst des Katechisten einführte. Er betonte, dass in verschiedenen Regionen der Welt zahlreiche fähige und standhafte Katechisten Gemeinden leiten und bei der Weitergabe und Vertiefung des Glaubens eine unersetzliche Mission ausüben. Besonders würdigte er die als Märtyrer gestorbenen Katechisten. Damit entsprach er dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das in einer neuen Weise die Rolle der Laien im "gemeinsamen Priestertum der Gläubigen" unterstrichen hat.
"Boten des Wortes"
Dies fiel besonders in Lateinamerika auf fruchtbaren Boden. Es waren vor allem die Katechisten und die "Boten des Wortes", die die lateinamerikanische Kirche nach dem Konzil neu in Bewegung brachten. Beispielhaft lässt sich das ablesen an der Landgemeinde Aguilares in El Salvador.
Dort war seit 1972 der Jesuit Rutilio Grande Pfarrer. Im Mittelpunkt seines pastoralen Konzepts stand die aktive Beteiligung der Gläubigen am Leben der Gemeinde. Das Geheimnis und die Keimzelle des Neuaufbruchs lag in den Basisgemeinden - Gruppen von Gläubigen, die miteinander die Bibel lasen. Dabei ging es darum, das Wort Gottes mit dem Leben der Menschen in Verbindung zu bringen. Die Gruppen folgten dem aus der christlichen Arbeiterjugend kommenden Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln.
Rutilio Grande bildete mit seinem Pastoralteam Männer und Frauen zu "Delegados de la palabra" aus, zu "Boten des Wortes", die auszogen, um neue Gruppen ins Leben zu rufen. Aguilares kam in Bewegung. Beurteilten die Bauern ihre Lebenssituation nach dieser Methode im Licht des Wortes Gottes, so war dies offenkundig erhellend: Sie entdeckten, dass Armut und Unterdrückung ein immer wiederkehrendes Thema in der Bibel ist. Gott ergriff dabei durch die Propheten und durch Jesus Christus Partei für die Opfer.
Glaube und politische Wirkung
Auf diesem Weg entfaltete der Glaube eine soziale und politische Wirksamkeit. Grande ermutigte die Bauern, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihre Rechte auf ein menschenwürdiges Leben einzufordern. Andere Gemeinden folgten diesem Beispiel.
Doch damit sahen die Großgrundbesitzer ihre Interessen bedroht. So begann die Verfolgung der Kirche in El Salvador. Am 12. März 1977 wurde Rutilio Grande zusammen mit zwei Begleitern - Manuel Solorzano und Rutilio Nelson Lemus - auf dem Weg zu einem Gottesdienst aus einem Hinterhalt ermordet. Ihr Martyrium trug entscheidend zur Wandlung von Erzbischof Oscar Romero zum prophetischen Verteidiger der Armen bei. Romero wurde drei Jahre später während der Feier der heiligen Messe am Altar erschossen.
Oscar Romero und Rutilio Grande
Inzwischen hat Papst Franziskus Oscar Romero heiliggesprochen. Am 22. Januar 2022 wird in El Salvador die Seligsprechung von Rutilio Grande und seiner beiden Begleiter und dem Franziskaner Cosme Spessoto gefeiert. Dies interpretieren manche Beobachter auch als Zeichen gegen den Klerikalismus: Priester und Laien bauen gemeinsam die Kirche auf.