DOMRADIO.DE: Wie sind Sie an die Bienen gekommen?
Generalvikar Ulrich Beckwermert (Bistum Osnabrück): Ich war früher mal Dompfarrer am Osnabrücker Dom. Der liegt mit einem wunderbaren Garten mitten in der Stadt Osnabrück. Irgendwann erreichte mich dann ein Telefonanruf von einem Imker, der seine Bienen gerne im Garten der Pfarrei aufstellen wollte. Ich habe dem zugestimmt und seitdem stehen da seine Bienen. Und weil ich ihm immer beim Imkern zugeguckt habe, hat er mir dann angeboten, mich auch in die Imkerei einzuführen.
DOMRADIO.DE: Was fasziniert Sie so sehr an diesen fleißigen Insekten?
Beckwermert: Erst einmal war ich nicht so fasziniert, weil der Umgang mit den kleinen Insekten ja auch ein bisschen gefährlich ist. Aber das ist im wahrsten Sinne des Wortes schnell verflogen, weil die Faszination überwiegt.
Ein Bienenvolk ist ein wunderbarer Organismus. Da gibt es ein Ineinandergreifen, das völlig faszinierend ist. Das ist ein Miteinander arbeiten, das dann zu dieser köstlichen Honigspeise führt.
Was genauso wichtig ist: Bienen produzieren ja auch Bienenwachs. Und ohne Bienenwachs gibt es keine Osterkerze. Das hat ja bald wieder eine besondere Bedeutung.
DOMRADIO.DE: Für Sie sind die Bienen als Teil der Schöpfung auch eine Brücke, um mit Gott und seiner frohen Botschaft in Kontakt zu kommen. Wie genau kann das gehen?
Beckwermert: Mich erinnert das so ein bisschen an das Wort Jesu: "Lernt von der Schöpfung, lernt von den Feigenbäumen, lernt von den Vögeln des Himmels". Da habe ich mich gefragt, ob wir auch was von den Bienen lernen können. Das geht in der Tat.
Da habe ich mich entschlossen, das mal aufzuschreiben. Dabei ist ein kleines Büchlein mit dem Titel "Das Summen der Bienen" entstanden. Die Schöpfung Gottes ist immer auch eine Form der Offenbarung. So wie wir von der Schöpfung lernen können, können wir auch von den Bienen lernen.
DOMRADIO.DE: Und tatsächlich sehen Sie die Bienen auch als Vorbild für Ihre katholische Kirche. Das müssen Sie erklären.
Beckwermert: Bei den Bienen ist ein Grundgedanke der Gedanke der Gemeinschaft. Eine Biene allein vermag gar nichts. Eine Königin würde sofort verhungern, weil die ja nicht los fliegt, um Futter zu suchen. Die Drohnen, die männlichen Bienen, vermögen auch allein gar nichts, weil sie auch kein Futter suchen. Die Arbeiterinnen sind angewiesen auf die Königin, sonst gibt es keine Nachkommen.
Dieses Ineinandergreifen fasziniert mich. Das ist auch der Grundgedanke der "Communio", der Gemeinschaft, der Kirche. Ohne diese Gemeinsamkeit, ohne das gemeinsame Wirken, wird es einfach nichts. Das kann man bei den Bienen, wenn man mit ihnen arbeitet, tagtäglich erleben.
DOMRADIO.DE: Missbrauchs-, Finanz- und Vertrauenskrise erschüttern momentan die katholische Kirche. Dann ist die Corona-Pandemie noch nicht besiegt und jetzt gibt es auch noch Krieg in Europa. Da könnte man leicht die Zuversicht verlieren. Aber auch in schwieriger Lage kann man auf die Bienen schauen, sagen Sie. Wie meinen Sie das?
Beckwermert: Das kann man gerade in diesen Tagen besonders beobachten. Wir hatten eine wunderbare Woche im März. Es war warm, die Bienen konnten fliegen, sie konnten sammeln. Und auf einmal erleben wir jetzt wieder eiskalte Nächte und Schneefall. Da könnten die Bienen auch in Verzweiflung geraten, weil das wirklich bedrohlich für sie ist.
Aber sie fügen sich dann so zu einer Bienentraube zusammen – die Königin in der Mitte, die Bienen drumherum – und man hält sich gegenseitig warm. Und das tut man nicht, indem man nur rumsitzt, sondern ordentlich dabei summt und die Flügel schlägt.
In dieser hohen Aktivität zusammenzuhalten, nicht zu verzweifeln, sondern zu wissen, dass das Grundanliegen unserer Sache, unserer Kirche, gut und wichtig ist, das kann die Kirche auch von den Bienen lernen. Denn bei ihnen kann man wunderbar deren Grundanliegen, Honig zu sammeln, davon zu leben und die Bäume zu bestäuben, beobachten.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade Ihr neues Buch erwähnt "Wie das Summen der Bienen. Was die Kirche von Honigbienen lernen kann". Darin stellen Sie zehn Stock-Gebote auf, natürlich in Analogie zu den Zehn Geboten. Welches Gebot könnte die Kirche in ihrer aktuellen schweren Krise besonders inspirieren?
Beckwermert: Ein Gebot in Anlehnung an die Zehn Gebote ist: Riskiere dich selbst. Wenn die Bienen im Winter sind, ist in der Mitte die Königin und drumherum sind die Arbeiterinnen, die halten die Königin warm. Das machen sie, indem sie in dieser Bienentraube immer von innen nach außen kriechen. Also innen halten sie die Königin warm und die Bienen, die außen sind, kommen nachgekrochen. Die sind nämlich am Rand abgekühlt, die müssen sich auch wieder aufwärmen. Dieses am Rande sein, dieses sich in die Kälte vorwagen, dieses sich riskieren, das gehört dazu, dass sich ein Bienenvolk durch den Winter bringt.
Und ich glaube, das müssen wir auch. Wir müssen uns als Kirche auch mal riskieren. Wir müssen nicht nur im Mittelpunkt des Volkes sein, sondern wir müssen raus. Wir müssen auch mal in die Kälte und wir dürfen uns nicht einfach auf andere verlassen, sondern müssen in dieser Bewegung bleiben – von der Mitte nach außen und zurück. In dieser Bewegung, glaube ich, können wir eine Menge lernen. Indem man nicht einfach die anderen allein lässt und auskühlen lässt, sondern auch bereit ist rauszugehen, Zeugnis zu geben, sich zu bekennen – auch wenn einem ein eiskalter Wind entgegen weht.
Das Interview führte Hilde Regeniter.