Mit einer so klaren Entscheidung hatte nicht mal der Präsident selbst gerechnet. "SUPREME COURT BESTÄTIGT EINREISEVERBOT", twittert Trump nach dem Urteil des Supreme Court an seine Anhänger in Großbuchstaben, gefolgt von einem freudigen "Wow!" Das bezog sich weniger auf das knappe 5:4-Stimmenverhältnis im Gericht als auf das, was die konservative Mehrheit dem Präsidenten in der Sache bescherte.
Der Vorsitzende Richter John Roberts spricht dem US-Präsidenten in der von ihm formulierten Mehrheitsmeinung fast absolute Rechte im Umgang mit Fremden an der Grenze zu. Trump habe mit dem Einreiseverbot "rechtmäßig die ihm eingeräumte breite Verfügungsgewalt genutzt, die Einreise von Fremden in die USA auszusetzen". Dies sei von der Verfassung so gewollt.
Damit können nun im dritten Anlauf Visasperren in Kraft treten, die der Präsident im September gegen Besucher aus dem Iran, Libyen, Somalia, Syrien, dem Jemen, Venezuela und dem Tschad erlassen hatte. Die Regierung hob die Beschränkungen für den Tschad später wieder auf. Damit bleibt es bei einem Verbot für große Personengruppen aus sich überwiegend muslimischen Ländern sowie Venezuela und Nordkorea.
US-Justizminister: "Großartiger Sieg für die Sicherheit"
Justizminister Jeff Sessions, der die Verantwortung für zwei gescheiterte Anläufe trägt, zeigte sich ebenfalls erleichtert. Dies sei "ein großartiger Sieg für die Sicherheit aller Amerikaner".
Das Verfassungsgericht hatte den Streitfall zwischen der Regierung und dem Bundesstaat Hawaii sowie weiteren Einzelklägern angenommen und im April angehört. Die Kläger hatten sich in nachgeordneten Instanzen durchgesetzt. Sie halten dem Präsidenten vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben.
Wie schon bei früheren Verfahren argumentierten die Gegner des Einreiseverbots mit dem Fundus an öffentlichen Äußerungen, in denen Trump seine Beweggründe zu erkennen gab. Unter anderen hatte der damalige Wahlkämpfer "eine komplette Blockade der USA für Muslime" gefordert.
"Historischer Fehler des Supreme Court"
Der erste muslimische Kongressabgeordente der USA, Keith Ellis, nannte das Urteil enttäuschend. Es untergrabe "den Grundwert der religiösen Toleranz, mit dem Amerika gegründet wurde". Diese Entscheidung werde "im Mülleimer der Geschichte landen". So sieht es auch Omar Jadwat, der die Bürgerrechtsorganisation ACLU in dem Verfahren vertrat. Er sprach von einem "historischen Fehler des Supreme Court".
Beobachter heben hervor, dass die Mehrheit der Richter das Dekret des Präsidenten wortwörtlich nahm. Chefrichter Roberts lehnte sogar ausdrücklich ab, den Kontext der Trump-Äußerungen mit zur Urteilsfindung heranzuziehen. Für die Feststellung der Rechtmäßigkeit sei nicht relevant, wie sich Trump vorher zu dem Thema geäußert habe.
Genau das halten die unterlegenen Richter für verkehrt. Sie argumentieren, der Präsident verstoße mit dem Einreiseverbot gegen die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit. Ein "vernünftiger Beobachter" müsse "zu dem Schluss kommen, dass diese Proklamation durch antimuslimische Vorurteile geprägt war", schreibt Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor in ihrem Dissens.
Einreiseverbot: "Feindseligkeit eines Alleinentscheiders"
Der Rechtsexperte Micah Schwartzman von der "University of Virginia School of Law" bemängelt eine fehlende Stringenz der konservativen Mehrheit. Diese hätten gerade erst im Fall des Bäckers in Colorado, der einem schwulen Paar keine Hochzeitstorte backen wollte, den Kontext herangezogen. Die Richter nahmen die "antireligiösen Einstellungen" zweier Staatsbediensteter zum Anlass, dem Bäcker Recht zu geben. Die Richter gäben nunmehr "eine erhebliche Beliebigkeit zu erkennen".
Ähnlich argumentiert Nelson Tebbe von der "Cornell Law School". Beim Einreiseverbot habe es "überwältigende Belege für Feindseligkeit eines Alleinentscheiders gegeben". Dies habe aber nicht ausgereicht, "eine Politik zu stoppen, die offensichtlich diskriminierende Auswirkungen hat". Nach der Entscheidung des Supreme Courts können die Visa-Sperren nun auf unbestimmte Zeit in Kraft treten.